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: Der Influenzavirus ist flexibel und variantenreich

Die Grippe

Sie kommt jedes Jahr im Herbst oder im Winter, und sie sorgt jährlich für Aufregung auf dem Boulevard und seiner angeschlossenen Medien: Die Grippe, eine fieberhafte Erkrankung der oberen Luftwege. Die Grippe wird durch den Myxovirus influenzae ausgelöst, heißt im Fachjargon Influenza und hat drei Subtypen: A (am häufigsten), B (besonders bei Kindern) und C (selten). Sie geht in ihrer schweren Verlaufsform mit hohem Fieber, Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit und starken Krankheitsgefühlen einher. Zu unterscheiden ist sie von Erkältungskrankheiten, die durch andere Viren, beispielsweise Rhino-, Adeno- oder Coronarviren, ausgelöst werden. Diese kennen meist nur subfebrile Temperaturen und einen leichteren Verlauf. Doch auch eine Influenzainfektion verläuft in 80 Prozent der Fälle symptomlos oder als leichte Erkältungskrankheit.

Die Gründe für die jährliche Aufregung um die Grippe liegen zum einen in ihrer einfachen Übertragung. Sie erfolgt durch Tröpfchen, wobei die Virusvermehrung vornehmlich in den Zellverbänden der oberen Luftwege erfolgt, bei einer Inkubationszeit von ein bis drei Tagen. Und darin, dass die Grippe immer wieder Epidemien und Pandemien auslöst und zu einer erhöhten Sterblichkeit von abwehrgeschwächten älteren Menschen führt, im Falle von Pandemien auch von jungen abwehrstarken Menschen.

Die Ursache dafür liegt in der hohen Flexibilität des Virus. Er ist in der Lage, seine Eiweißhülle und damit seine Antigenstruktur zu verändern – man kann in seinem Leben mehrmals an Grippe erkranken, eine durch Impfung oder Erkrankung herbeigeführte Immunität gibt es immer nur bezüglich bestimmter Subtypen und Varianten. Man unterscheidet bei diesen Veränderungen den so genannten antigenic drift vom antigenic shift. Bei Ersterem kommt es zu kleinen Antigenveränderungen infolge von Punktmutationen, das heißt zum Austausch einzelner Aminosäuren in den Virushüllenproteinen Hämagglutinin und Neuroaminidase (nach deren unterschiedlicher Struktur wiederum die Virussubtypen eingeteilt sind, die man dann als H1N1, H3N2, o. ä. bezeichnet).

Beim antigenic shift kommt es zum Austausch von ganzen Genabschnitten zwischen humanen mit tierischen Influenzaviren. So gibt es immer wieder Driftperioden, die zu neuen Virusvarianten führen und Epidemien auslösen, zuletzt 1997 in Hongkong durch den H5N1-Virus. Und so gibt es schätzungsweise alle zehn bis vierzig Jahre Shiftperioden mit neuen Subtypen vor allem des Influenzavirus A, die Pandemien verursachen können. Im 20. Jahrhundert gab es vier Pandemien: Am berüchtigsten die spanische Grippe durch den H1N1-Typ, die 1918/19 mehr Tote als der Erste Weltkrieg forderte (20 bis 40 Millionen) und bei der sich die genetischen Sequenzen von humaner und Schweineinfluenza gekreuzt haben sollen. Es folgten 1957 die Asia-Pandemie (H2N2), elf Jahre später die Hongkong-Pandemie (H3N2), 1977 die russische Pandemie (H1N2). Typisch bei der schweren Verlaufsform einer Grippe ist die verzögerte Rekonvaleszenz, Müdigkeit und Schwäche über Wochen. Die häufigsten, oft lebensgefährlichen Komplikationen sind die durch diverse bakterielle Erreger ausgelöste Grippepneumonien, die man mit Antibiotika in den Griff zu bekommen versucht.

Aufgrund der 10.000 bis 15.000 Menschen, die in Deutschland jährlich an den Folgen einer Influenza-Infektion sterben, wird gleichfalls jedes Jahr aufs Neue eine Grippe-Impfung empfohlen, allerdings ohne dass dem in hoher Zahl nachgekommen würde. Zielgruppe sind neben medizinischem Personal Menschen über 60 sowie chronisch Kranke mit Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenleiden oder einer Immunschwäche. Sie erfolgt durch Totimpfstoff, dass heißt nicht krankheitsauslösenden Influenza-Antigenen, die eine Antikörperreaktion hervorrufen. Der Schutz setzt nach zehn bis vierzehn Tagen ein. Der Antigenzusammensetzung des Impfstoffs entspricht dabei den aktuellen Epidemiestämmen und wird jedes Jahr von der Weltgesundheitsorganisation neu festgesetzt.

Ist die Grippe einmal ausgebrochen, ist die symptomatischste Therapie angesagt: Flüssigkeitsersatz sowie Fiebersenkung durch Medikamente. Weniger wirkungsvoll ist das antiviral wirkende Medikament Amantadin, das die Aktivität eines bestimmten Proteins des Virus hemmt, allerdings nur bei Influenza A. Neuerdings gibt es in Deutschland auch den Neuraminidase-Hemmer Zanmivir (Handelsname: Relenza), der bei Influenza A- und B-Infektionen in den ersten beiden Tagen wirksam ist. Er verhindert die Freisetzung neu gebildeter Influenzaviren aus infizierten Zellen und damit die Ausbreitung der Influenzaviren in den Atemwegen. GERRIT BARTELS

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