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Staatsnetz gegen Swissair-Sturzflug

Die Fluggesellschaft, einst Schweizer Vorzeigestück der Privatisierung, steht vor dem Kollaps. Jetzt soll der Staat helfen

BASEL taz ■ „Morgen fliegen wir noch“, so viel kann der Swissair-Sprecher garantieren. Was Ende der Woche ist, darüber wird gerade in der Schweizer Regierung entschieden. Die schwierigen Beratungen begannen gestern Abend. Denn um das helvetische Statussymbol in der Luft zu halten, sind enorme Summen nötig – und zwar sofort. Nicht einmal die Oktoberlöhne sind gesichert.

Rund 15 Milliarden Mark brauche man fürs langfristige Überleben, 4 Milliarden Mark zur Tilgung sofortiger Verbindlichkeiten, verkündete Swissair-Chef Mario Corti letzte Woche. Nachdem die beiden Großbanken UBS und CS-Group am Sonntag umgerechnet 1,2 Milliarden Mark in Aussicht gestellt haben, soll jetzt auch die Eidgenossenschaft ihr Scherflein beitragen.

Im vergangenen Januar kam an der Börse die Quittung für eine Expansionsstrategie und einem Geflecht von langfristigen Verträgen, in dem sich die Swissair heillos verstrickte: Unrentable Beteiligungen an Regionalfluggesellschaften in Frankreich etwa oder die fruchtlose Kooperation mit der belgischen Sabena. Schwerfällig macht auch ein Leasingvertrag für schlecht ausgelastete Großflugzeuge. Der Aktienkurs, der bis heute ausgesetzt wurde, ist in neun Monaten von 250 auf unter 50 Franken gesaust. Ein Rekordverlust von 2,9 Milliarden Franken wurde im Jahr 2000 verbucht.

Crasht die größte Sanierung der Schweizer Firmengeschichte, stehen weltweit 70.000 Stellen auf dem Spiel. Denn Swissair steht nicht nur fürs Fliegen, sondern auch für flugverwandte Geschäfte wie „Gate-Gourmet“ (Essensversorgung). Erste Firmentöchter hat Corti schon im August versilbert, doch der Ertrag genügte bei weitem nicht.

Wenn jetzt PolitikerInnen vor allem rechter Parteilager nach dem Retter Staat rufen und erschwerende Umstände wie die Anschläge in den USA und die folgende Krise in der internationalen Flugfahrt anführen, ist dies zumindest bemerkenswert. Denn es waren treue Jünger der Liberalisierung, die den Schweizer Home-Carrier in die Misere geführt hatten. Ausgerechnet das Paradebeispiel eines privatisierten Staatsunternehmens muss jetzt mit Steuerfranken wieder hochgepäppelt werden.

Der jüngste Liberalisierungseklat wirkt als Bremsschuh für andere Projekte. So erscheiterten vor zehn Tagen bei Volksabstimmungen eine Anzahl von Vorlagen, mit denen regionale Elektrizitätswerke zu privaten Aktiengesellschaften hätten umgewandelt werden sollen. PIETER POLDERVAART

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