: Chippen, touchen, fahren
■ Bald in Bussen und Bahnen: Bargeldlos per Karte zahlen / Die Rechnung für das System begleicht natürlich König Kunde
Die Anzeigen gibt es schon: „Chippen – bald“ wirbt derzeit eine rätselhafte Kampagne in der Stadt, ohne den Namen des Urhebers zu nennen. Hinter den Plakaten steckt die Bremer Straßenbahn AG (BSAG), die ihre Kunden verleiten möchte, demnächst bargeldlos per Geldkarte Tickets zu kaufen. Noch im Oktober sollen die ersten Touchscreens in den Linien 2,3, und 10 installiert sein, bis Ende des Jahres soll es in Bremen 900 Terminals geben.
Im Laufe des nächsten Jahres können Kunden ihre Tickets dann auch bargeldlos in den 34 Verkehrsunternehmen des VBN zahlen – wie bei den 220 privaten Vorverkaufsstellen. „Irgendwann werden wir auch unsere Brötchen beim Bäcker elektronisch kaufen“, meinte BSAG-Vorstand Georg Drechsler gestern bei der Vorstellung des neuen Systems.
Während Städte wie Berlin, Paris und Bern schon die Einführung von automatischer Ticketentwertung beim Ein- und Aussteigen planen und proben, geht Bremen erst mal den beschwerlichen Weg: Zahlen per Chipkarte.
Immerhin fast 60 Millionen Deutsche haben den kleinen Chip beispielsweise schon in ihrer EC-Karte integriert, aber nur die wenigsten nutzen ihn: In Bremen sind es gerade acht Prozent.
Seit 1999 läuft ein Pilotprojekt in den Linien 6 und 26 – mit positiver Resonanz, wie BSAG-Mann Rainer Kounen betont: „Über 80 Prozent der Kunden waren im Feldversuch dafür, dass bargeldlose Zahlen auf alle Linien auszudehnen.“
Die BSAG hofft, mit dem Chipkarten-System drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Erstens wirbt Vorstand Drechsler damit, dass die Einführung des Chip-Sys-tems in den nächsten zehn Jahren rund 5,5 Millionen Mark einsparen soll. Die bislang existierenden verschiedenen (scheinbar für Kinderhände erdachten) viel zu kleinen Fahrkarten sollen durch Ausdrucke ersetzt werden.
Das ist gut – die Rechnung fürs Chippen zahlt trotzdem König Kunde: Die Kosten für die Einführung des Systems liegen bei satten zehn Millionen Mark. Dafür hoffen die Straßenbahner, Probleme bei der Einführung des Euro besser bewältigen zu können. Bremer Busse und Bahnen können nämlich ab Januar 2002 nicht mehr mit der guten alten D-Mark bezahlt werden – während sie sonst noch überall bis zum 28. Februar akzeptiert wird. Die ebenfalls neu eingeführten Fahrerkassen haben nämlich schlicht keinen Platz für zwei Münzsätze. Das dürfte zu mehr Schwarzfahrern und Bremer Kontrolleuren zu mehr Arbeit verhelfen: Selbstverständlich werden auch sie in Zukunft mit Lesegeräten ausgestattet, die prüfen können, ob der Fahrgast auch ordnungsgemäß „gechippt“ hat. Kounen: „Um die Euro-Probleme zu vermeiden, wollen wir die Leute so früh wie möglich zum Chippen bringen.“
Chippen – und das ist der vermeintlich dritte Vorteil des neuen Systems – soll auch kundenfreundlicher sein. Es funktioniert auf jeden Fall so: Chipkarte bei der Bank oder am Geldautomaten aufladen und einführen. Sich dann per „Touch“ – durch Berühren der Bildschirmoberfläche – zum Ticket durchhangeln.
Immerhin geht das viersprachig, automatisch ermittelt der Apparat auch den Tarif für diejenigen, die sich im Bremer Preis-Dschungel nicht auskennen. Dann wird der Betrag automatisch abgebucht.
Übrigens laut BSAG von datenschutzseite aus völlig unbedenklich. Kounen: „Wir speichern keine personenbezogenen Daten.“
Kai Schöneberg
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