: Der Mann und das Meer
Wo das Wasser alles einzubläuen trachtet, schießt Jochen Knobloch schwarzweiße Seebilder
Jochen Knobloch fährt einen Jeep wie er Harrison Ford als Jäger des verlorenen Schatzes in der Wüste anstehen würde. Das Auto passt zu Jochen Knobloch. Schließlich ist auch der Fotograf ein Sucher in der Wüste, zum Beispiel in den Sanddünen einer fast leergefegten britischen Küste. Oder dieses Jahr in der richtigen Wüste, in Marokko. Wochenlang steuerte er seinen weißen Geländewagen über den Atlas hinab ins Sandmeer. Und immer wieder hielt er seine Kameralinse auf die Texturen dieser Sandkornlandschaft, als wären es die Chiffren eines geheimen Plans, der den Weg zu noch größeren Schätzen weist. Dabei ist jeder der großformatigen quadratischen Abzüge ein Kleinod. Bilder, auf denen jede Bodenwelle bebt. Irgendwo verläuft unter der Oberfläche eine Hauptschlagader, deren Pulsschlag man zu sehen glaubt.
Jochen Knobloch hat vor dieser Reise und der stillen Jagd nach Bildern ein wenig Angst gehabt. Weil er mit sechzig Jahren nicht mehr der Jüngste sei. Soviel Aufregung war schon lange nicht mehr. Vielleicht noch damals, als er eine Fotografenlehre gemacht und dann in Leipzig sein Studium als Fotodesigner abgeschlossen hatte. Als es ihn nach Berlin trieb und nach dem Mauerfall nach Hamburg, wo er heute noch lebt. Oder als er vor ein paar Jahren für den Stern die Urwälder dieser Erde fotografierte und ihm die Illustrierte dafür so viele Seiten überließ, als wolle sie damit dem populären Wissenschaftsmagazin Geo Konkurrenz machen. Es hätte ihm egal sein können, denn er fotografiert ohnehin für beide.
Aber eigentlich ist Jochen Knobloch ein entspannter Mensch, ganz unaufgeregt. Der kann warten. Wenn es sein muss stundenlang auf ein Motiv. An Bildern von der See wie auf diesen Seiten hätte ein Caspar David Friedrich Tage und Wochen gemalt. Am Felsspringer vorm weiten Meer. An den Vanitaspalmen. Am Mann neben dem Bunker. Jochen Knobloch wartet. Mit seiner zweiäugigen Roleiflex, Normalobjektiv, Lichtschacht. Und dann frönt er der „Langeweile“ – wie er es nennt –, die sich vor der Linse abspielt. Beobachtet das Meer, das an Land schwappt und wieder flieht. Knipst, wenn sich ein Paraglider in den Ausschnitt einer Dünenmonotonie schiebt. Eine Frau sich in den Schatten des Leuchtturms setzt. Und das alles ohne Farbe. Er hat eine schöne wie passende Erklärung dafür: „Die Augen finden zwischen Wasser, Himmel und Land nichts, woran sie sich halten können. Alles verschwimmt im diffusen Blau der Ferne. Wo ist oben und unten, hinten und vorn? Seltenes Rot grenzt blaue Eintönigkeit ein, soll Gefahr signalisieren, auf Bojen, Schildern und Schriften an der Wand. Doch die See trachtet danach alles einzubläuen. Da ist es nur konsequent, schwarzweiß zu fotografieren.“ PETRA WELZEL
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