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bin ladenGeheimnis, Gewalt und Öffentlichkeit

Reicht es aus, wenn uns die deutsche Regierung versichert, die ihr übermittelten Beweise für die Täterschaft Bin Ladens und die Beihilfe der Taliban seien vollständig überzeugend? Reicht es, die Parteiführungen zu informieren? Offensichtlich nicht. Denn da es um die Frage von Krieg und Frieden geht, muss die Öffentlichkeit in der Lage sein, sich ein Urteil zu bilden. Die „uneingeschränkte Solidarität“, die der Bundeskanzler den USA zusicherte, hat damit nichts zu tun. Sie war auf die Bündnisverpflichtung gemünzt, nicht aber auf die Gründe, die diese Verpflichtung auslösen können.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

In Frage steht die Plausibilität dessen, was US- und britische Behörden ermittelten. Eine kontroverse Diskussion über die Bewertung der Fakten muss möglich sein. Der Hinweis auf verdeckte Haftbefehle, wie sie auch vom Jugoslawien-Tribunal ausgestellt werden, zieht nicht. Denn im Falle des Tribunals folgt auf die Verhaftung der öffentliche Prozess, der auch in einem Freispruch enden kann. Das amerikanische „Wanted“ hingegen bedeutet: „lebend oder tot“.

Öffentlichkeit ist das Medium, kraft dessen Demokratie funktioniert. In vordemokratischen Zeiten bestimmte das Geheimnis, die „Arcana“, weite Regierungsbereiche. In der DDR war fast alles geheim. In der alten Bundesrepublik hingegen wurde selbst das bekannt, was striktester Geheimhaltung unterlag. An die Stelle der Verschwiegenheit trat die Medienpräsenz. Die ist zwar ermüdend, aber gut fürs Gemeinwesen.

Schlecht hingegen ist die „neue Verschwiegenheit“. Natürlich unterliegen manche Sachverhalte um der Sicherheit willen der Geheimhaltung, obwohl etwa im militärischen Bereich vertrauensbildende Maßnahmen, die auf Einweihung in Geheimnisse basieren, die Sicherheit eher erhöhen als mindern. Im polizeilichen Bereich, also dem hier entscheidenden, spricht man von „ermittlungstaktischer Verschwiegenheit“. Das ist auch im Fall Bin Laden/Taliban verständlich, kann sich aber nicht auf den gesamten Komplex der Ermittlungen erstrecken. Es wäre Aufgabe unserer Regierung gewesen, hier abzuwägen, wobei der Öffentlichkeit Priorität hätte eingeräumt werden müssen.

Der Hinweis, dass wir dem britischen Premier und dem FBI die Kenntnis wenigstens einiger Zusammenhänge verdanken, entschuldigt die Bundesregierung nicht. Denn weder die eine noch die andere Institution vertritt den Bundeskanzler. Er ist es, der uns zu unterrichten hat.

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