: Neue Waffen gegen neue Feinde
Die USA haben seit dem Ende des Kalten Krieges zahlreiche Technologien für Militäroperationen zur Bekämpfung von Terroristen entwickelt
aus Washington ANDREAS ZUMACH
Die USA und Großbritannien führten ihre Militärschläge gegen afghanische Bodenziele am Sonntag mit Waffen und Munition aus, die längst erprobt sind und die sich in großer Stückzahl in den Arsenalen beider Länder befinden. „Tomahawk“-Cruise-Missiles und von B-52-Kampfflugzeugen abgefeuerte Bomben und Raketen wurden von den US-Streitkräften bereits 1991 im Golfkrieg gegen Irak eingesetzt sowie erneut im Krieg der Nato gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999. Die während dieser beiden Kriege verbreiteten Erfolgsmeldungen über die angebliche Perfekion dieser High-Tech-Waffen, ihre „chirurgische“ Treffergenauigkeit und die dementsprechend geringe Gefahr von Kollateralschäden mussten nachträglich vom Pentagon und der Nato allerdings jeweils erheblich korrigiert werden. Eingedenk dieser Erfahrungen beteuern Sprecher des Pentagon seit Beginn der Luftangriffe gegen Afghanistan, die Computer- und Lasersteuerung der „Tomahawk“-Cruise-Missiles sowie der Flugzeugbomben und -raketen sei seit dem Golfkrieg und erneut seit dem Jugoslawienkrieg „erheblich verbessert“ worden.
Nach den Lügen und Manipulationen während der Kriege gegen Irak und gegen Jugoslawien dürften derartige Behauptungen in der Öffentlichkeit auf erhebliche Skepsis stoßen, zumal sie wegen Medienzensur des Petagon – die noch rigider ist als während des Golfkrieges – selbst von fachlich versierten Journalisten kaum zu überprüfen sind.
Noch größere Unsicherheit herrscht mit Blick auf die Waffen, die nach Planung des Pentagon bei einem massierten Einsatz von Spezialverbänden oder gar von regulären Armeeverbänden benutzt werden sollen. US-amerikanische Rüstungsunternehmen haben seit Ende des Kalten Krieges eine Fülle neuer Waffen, Munition, Ausrüstung und Technologien für offene und verdeckte Militäroperationen und zur Bekämpfung von Terroristen entwickelt. Abgesehen von Aufklärungsmissionen und anderen verdeckten Operationen, die die US-amerikanischen Delta-Forces und die britische SAS nach vielen Indizien bereits in den letzten Wochen in Afghanistan durchgeführt haben, wurden die meisten dieser Waffen, Technologien und Ausrüstungen noch nie in realen Einsätzen erprobt. In vielen Fällen liegen noch keine Beschlüsse des US-Kongresses über Serienfertigung und Beschaffung vor.
Besonders stolz ist das Pentagon auf einen neuen Soldatenhelm, der mit einer Videokamera, einer Nachtsicht-Infrarotkamera und einem Mikrofon für die Kommunikation mit anderen Soldaten ausgerüstet ist sowie mit einer Computerverbindung zum globalen Satellitensystem der US-Militärs. Damit lässt sich in jeder Kommandozentrale und im Pentagon in Washington der Standort jedes einzelnen Soldaten feststellen.
Eine modernisierte Version des US-Armeegewehres vom Typ M-4 enthält eine Laservorrichtung, mit der Distanzen genau kalkuliert und wärmeabstrahlende Ziele (darunter auch menschliche Körper) auch durch dichten Nebel oder Rauch erkannt und ins Visier genommen werden können.
Zur Luftaufklärung über feindlichem Gebiet entwickelte die Rüstungsfirma Northrop für das Pentagon den Prototyp eines neuen, unbemannten Aufklärungsflugzeuges, das mit einer Geschwindigkeit von 550 Stundenkilometern in Höhen bis zu 22.000 Metern fliegen kann. Im Golfkrieg des Jahres 1991 hatte sich der Einsatz bis dato unerprobter Prototypen für die US-Streitkräfte als großer, möglicherweise kriegsentscheidender Vorteil erwiesen. Modifizierte Versionen des Boing-707-Flugzeuges, mit einem damals gerade neu entwickelten computergestützten Aufklärungsradars an Bord lieferten den US-Streitkräfte wichtige Informationen über die Truppenbewegungen der irakischen Armee und über ihre Luftabwehrstellungen.
Die Einsatzfähigkeit der neuen High-Tech-Waffen, Ausrüstungen und Technologien ist stärker als je zuvor abhängig von verlässlichen, stets funktionierenden Computern. Hier liegt ein möglicher Schwachpunkt, der auch manchem US-Militär erhebliche Kopfschmerzen bereitet. Denn um Kosten zu sparen, stützen sich das Pentagon und die von ihm beauftragten Rüstungsfirmen in der Regel auf bereits vorhandene Computer-Software und Hardware. Die Laptops, mit denen die Delta-Forces und andere Spezialeinheiten ausgerüstet sind, enthalten das Microsoft-Windows-Programm, dieselben Intel-Pentium-Prozessoren sowie Standardchips zur drahtlosen Datenübertragung, mit denen auch fast jeder kommerziell erhältliche Computer ausgestattet ist. Das macht die Ausrüstung der Soldaten in hohem Maße anfällig für Hacker, denen in den USA in der Vergangenheit schon mehrfach der Einbruch selbst in die Spezialcomputer des Pentagon und sogar des Hauptkommandos der strategischen Atomstreitkräfte gelungen ist.
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