UN-Sicherheitsrat billigt Angriffe auf Afghanistan

Das Gremium erhebt auch keinen Widerspruch gegen eventuelle Ausweitung auf andere Länder. Deutliche Warnung der USA an Irak

NEW YORK taz ■ Die Militärschläge der USA und Großbritanniens gegen Bodenziele in Afghanistan sind vom UNO-Sicherheitsrat in New York billigend zur Kenntnis genommen worden. Einen formalen Beschluss in Form einer Resolution mit einer – zumindest nachträglichen – ausdrücklichen Ermächtigung zu militärischen Maßnahmen fasste das höchste UNO-Gremium allerdings nicht. Auf der Sitzung am Montagabend (Ortszeit New York) wurden auch keine Bedenken gegen eventuelle Militärschläge gegen „andere Staaten und Organisationen“ laut, die Washingtons UNO-Botschafter John Negroponte in einem Scheiben an den Sicherheitsrat angedeutet hatte.

Die auf Antrag der USA und Großbritanniens einberufene Sitzung des Rates fand hinter verschlossenen Türen statt und dauerte rund zwei Stunden. Zu Beginn informierten Negroponte und der britische UNO-Botschafter Jeremy Greenstock über die Luftangriffe und rechtfertigten sie als „legitime Wahrnehmung des Selbstverteidigungsrechtes nach Artikel 51 der UNO-Charta“. Eine formale Ermächtigung durch den Sicherheitsrat (die zum Beispiel vor dem Golfkrieg gegen Irak vom Frühjahr 1991 von den USA beantragt und seinerzeit mit Mehrheit bewilligt wurde) sei daher nicht erforderlich und werde von Washington und London nicht angestrebt. Nach Angaben von Sitzungsteilnehmern äußerte keines der anderen 13 Ratsmitglieder Bedenken oder Widersprüche gegen diese Interpretation des Völkerrechts durch die USA und Großbritannien. Der Rat habe „Veständnis gezeigt für unsere rechtmäßige Verteidigung“, erklärte Negroponte nach der Sitzung. Der amtierende Ratsvorsitzende, Irlands Botschafter Ryan, betonte, die Geschlossenheit des Sicherheitsrates in der Solidarität mit den USA nach den Terroranschlägen vom 11. September sei „völlig intakt“.

Am 12. und am 26. September hatte der Rat diese Anschläge in zwei förmlichen, einstimmig verabschiedeten Resolutionen als „Bedrohung von Frieden und Sicherheit“ verurteilt und grundsätzlich grünes Licht erteilt für weitreichende Maßnahmen gegen Terroristen und ihre Unterstützer und Finanziers. Auch diese Resolutionen enthielten allerdings keine ausdrückliche Ermächtigung zu militärische Maßnahmen, die nach den Bestimmungen der UNO-Charta erforderlich wäre.

Vor der Sitzung hatte Negroponte in einem Schreiben an den Sicherheitsrat angekündigt, eventuell mache „die Selbstverteidigung der USA weitere Aktionen gegen andere Organisationen und Staaten erforderlich“. Die Ermittlungen seit denAnschlägen vom 11. September hätten zwar „klare und zwingende Hinweise erbracht, dass das (von Ussama Bin Laden geführte) Terrornetzwerk al-Qaida, das von dem Talban-Regime in Afghanistan unterstützt wird, eine zentrale Rolle bei diesen Anschlägen gespielt“ habe, heißt es in dem Schreiben weiter. Doch die Ermittlungen seien „noch in einem Frühstadium“, es gebe „noch vieles, was wir nicht wissen“.

Zu Einzelheiten über mögliche künftige Ziele von Militärschlägen äußerte sich Negroponte weder in seinem Schreiben noch in seinen mündlichen Ausführungen vor dem Sicherheitsrat. Genannt werden in der öffentlichen Diskussion immer wieder Syrien, Iran, Sudan und Irak, die vom US-State Department als Unterstüzer des internationalen Terrorismus eingestuft wurden. Nach Informationen der taz traf Negroponte am Sonntag in New York den irakischen UNO-Botschafter Mohammed al-Douri und las ihm einen Brief vor mit der Warnung, Bagdad solle die derzeitige Krisensituation nicht für „eigene Aktionen“ nutzen. Am Montag übergab al-Douri bei der US-Botschaft in New York ein Antwortschreiben seiner Regierung, über dessen Inhalt zunächst nichts bekannt wurde.

UNO-Generalsekretär Kofi Annan vermied eine ausdrückliche Unterstützung der Militärschläge. Er erklärte lediglich, „Mitgliedsländer der UNO hätten ihre Entscheidungen im Kontext der Resolutionen des Sicherheitsrates vom 12. und 26. September getroffen“.

ANDREAS ZUMACH