: Komfort statt Felgenbrüche
■ König Kunde auf dem Fahrrad: Wie man die City attraktiver für Pedale machen und gleichzeit die Kunden retten kann – ein Gespräch in der Bürgerschaft
Zuerst mag man möglicherweise an Kettenfett denken, an Klingel oder auch an lästige Platten. Aber an kaufkräftige KundInnen? Die wittern die Damen und Herren Kaufleute meist in den PS-starken Automobilen statt ausgerechnet auf Fahrrädern. Und dementsprechend sehen die Citys aus: Tiefgaragen aber keine Fahrradstellplätze, Highways aber keine Radwege, zumindest keine, die so glatt bis in die Innenstadt geteert ist, und keine ohne Lücken und Tücken.
So sieht es auch in Bremen aus, fand der Beirat Mitte: Im Prinzip seien die Fahrradwege hier ja schön und gut. Aber auf dem Weg in die City lauern trotzdem halsbrecherische Situationen, Gleise und Nadelöhre. Überall das Signal „Ihr seid hier bestenfalls nur geduldet“, kritisiert auch Ortsamtsleiter Robert Bücking. Und daran änderte auch das Sofortprogramm Innenstadt, das die City mit viel Geld schöner machen sollte, wenig. Zwar wurde an Fußgänger und ÖPNV gedacht. Die Radfahrer aber, die wurden vergessen.
Das soll jetzt anders werden: „Wie wollten nicht nur meckern, sondern auch was verbessern“, erklärt Ulrike Hiller, die Beiratssprecherin. Gestern begann deshalb der erste Schritt zu Verbesserungen – mit handfester Lobby-Arbeit. Mit Bürgermeister (und Fahrradfahrer) Henning Scherf (SPD). Mit Handelskammer-Vertretern, die auch Fahrrad fahren. Und mit (wenigen) Vertretern der Kaufmannschaften, dafür umso mehr Rad-Bewegten.
Forum BikeCity heißt die Initiative, die Geschäftsleuten klar machen will, dass auch in Fahrradfahrern ein richtiges Potenzial schlummert. Die, wenn man sie vergrätzt, irgendwann auch ins Auto steigen und ihr Geld woanders ausgeben könnten: da, wo man bequem hinkommt und direkt vorfahren kann: im Weserpark, oder auch im Dodenhof. Umdenken, so scheint es, klappt vor allem, wenn man finanzkräftige Argumente auf seiner Seite hat.
Und so hatten Beirat, Umweltressort und Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Fachleute in die Handelskammer eingeladen, um die Fehlkalkulation der Geschäftsleute einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Und die heißt: AutofahrerInnen geben mehr Geld aus als RadfahrerInnen. Aber, erklärt der Verkehrsplaner Franz Linder aus Köln: Autofahrer kommen auch viel seltener in die City, während Fahrradfahrer mehrmals die Woche einen mindestens gleich großen Warenwert davontragen. Und: Autofahrer nehmen gleich mehrere Personen auf ihren Einkaufstouren mit, geben also möglicherweise Geld für zwei oder drei aus.
Zwar hat Bremen einen Anteil von 22 Prozent Radlern (und 30 Prozent Autofahrern). Und für deutsche Großstädte über 500.000 Einwohner ist das immer noch Spitze. Aber in Amsterdam, Utrecht und Den Haag sieht das schon wieder ganz anders aus. Denn da gibt es gleich Highways für Radfahrer, erzählt Linder: „Vier Meter breit – das ist Komfort.“ Während in Deuschland meist zu kurz und vor allem zu eng gedacht werde: Mini-Radwege, noch geteilt mit Fußgängern, und wenige und dann übervolle Radständer oder Hindernisse wie die Bischofsnadel.
Zwar wird gerade die Obernstraße aufwendig saniert. Aber, nein, Abstellplätze für Räder sind noch nicht eingeplant. Das muss aber kommen, erklärt auch Karstadt-Chef Hans-Jürgen Wagner. Schließlich kommen 17 Prozent seiner Kunden per Bike. Und das mit dem Potenzial, meint er als Sprecher der Einzelhändler, „das muss man noch weiter tragen.“
Auch in die Politik. In den letzten Jahren habe man das Thema ziemlich vernachlässigt, gesteht Rainer Imholze vom Umweltressort. „Jetzt ist eine aktive Unterstützung an der Zeit.“ Nur, als Pro-Biker outen wollten sich in Bremen bislang erst wenige.
Ob König Kunde aber per Bike kommt, ist aber auch „eine Frage des Wetters, des Komforts und der offenen Arme“, betont Bücking. Radler wollen keine nassen Sättel. Ein überdachter Ständer wäre also klasse. Radler können auch keine Tonnen-Einkäufe nach Hause bugsieren, vielleicht wäre ein Lieferservice ja was. Karstadt hat zum Beispiel einen – nur, keiner kennt ihn. „Dabei sind das doch Sachen, mit denen sich die City von Dodenhof und Weserpark absetzen kann“, heißt es am Ende.
Dorothee Krumpipe
Die nächste Veranstaltung im Forum BikeCity findet am Dienstag, den 30. Oktober, um 15 Uhr in der Handelskammer statt. Thema: „Rad-Wege in die City“.
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