: Eine Sendung aus Träumen
So crazy, dass es nicht mal Frank Elstner einfällt: Für seine neueste Showidee spielt der alte Mann der Samstagabendunterhaltung mit den Vorschlägen der ZuschauerInnen und erfindet dabei das Fernsehen auch nicht neu
Wahrscheinlich bleibt Frank Elstner auf ewig der Mann, der sich „Wetten, dass. . .?“ ausgedacht hat, das heute das erste Mal nach der Sommerpause und ohne Saalwetten stattfindet. In Ehren ergraut moderiert der gebürtige Österreicher im SWR seit einem Jahr samstäglich die „Menschen der Woche“. Der jüngste Streich des 59jährigen Talkmasters ist ein Konzept namens „Die neuen Fernsehmacher“ (hoffentlich ein Arbeitstitel): neue Format-Ideen sollen dabei allein von den Zuschauern kommen. Moderieren will der „Zuschauer-Treuhänder“ aber nicht mehr
taz: Sollen wir unser Programm jetzt selber machen?
Frank Elstner: Vor 20 Jahren habe ich den Zuschauern die Frage gestellt: Was wollen Sie mit mir wetten? Und von allen bisherigen Wetten ist keine einem Redakteur eingefallen, sondern sie stammen alle von den Zuschauern. Deshalb habe ich mir gedacht: Vielleicht fallen ihnen auch neue Sendungen ein. Auf unseren Aufruf in der Bild-Zeitung kamen 2.600 Vorschlage, und wir waren überwältigt von der Qualität. Eine Jury hat acht Formate ausgesucht, von denen jetzt Pilotfilme gedreht werden. Und in der letzten November-Woche und der ersten Dezember-Woche werden wir jeweils von Montag bis Donnerstag um 21.15 Uhr auf RTL 2 eine Premiere feiern.
Die hauptberuflichen Fernsehmacher haben also keine Ideen mehr?
Viele haben uns natürlich angegriffen und gesagt: „Jetzt fällt dem Elstner nix mehr ein, jetzt fragt er seine Zuschauer.“ Aber wie entsteht denn eine Fernsehshow? Irgendeiner hat eine Idee und schreibt ein Papier. Ob der Redakteur ist oder Zuschauer, ist doch egal – wenn was Gescheites dabei rauskommt. Wir haben Vorschläge bekommen, die sind so crazy, dass das den normalen Fernsehredakteuren, mich eingeschlossen, nie eingefallen wären. Genaugenommen haben die Zuschauer auch keine fertigen Formate eingeschickt – sie haben ihre Träume beschrieben, und wir helfen ihnen, daraus eine Sendung zu machen.
Wie „crazy“ sind denn die Träume Ihre Zuschauer?
Viele Sehnsüchte sind wieder aufgekommen. Eine davon war der Wunsch nach einer richtigen Familiensendung. Viele nehmen es einfach nicht mehr hin, dass es nur noch Programme geben soll, die sich ausschließlich an 19-Jährige oder nur an 59-Jährige richten. Natürlich haben wir jede Menge Quiz bekommen, weil jeder glaubt, eine noch bessere Regel gefunden zu haben. Das hing uns ein bisschen zum Halse raus. Gezeigt hat sich aber auch: Die Zuschauer wollen sehr viel lachen, sie mögen Spannung und Nervenkitzel – aber das mochten die Menschen schon immer. Bei dem ganzen Wettbewerb ist das Fernsehen nicht neu erfunden worden. Das kann man nicht. Wir haben auch keine neue Dimension des Fernsehens anzubieten. Wir haben nur ein neues Kleid.
Verraten Sie mal ein bisschen mehr über die Formate. . .
Bei uns konnte ja jeder mitmachen. Unter den acht Ausgewählten ist ein Student dabei, eine Hausfrau, ein ausgeflipptes Mädchen und zwei Jungs, die eine ganz beknackte Idee hatten. Herausgekommen sind acht ganz unterschiedliche Formate. Manche sprechen die ganze Familie an, andere sind ganz verrückt und kommen von jungen Leuten. Einer wohnt über einem Geschäft und meinte, aus dem könnte man eine Sendung machen – wir meinen das auch. Viele Vorschläge sind gemacht worden zum Thema Auto. Ich glaube, das werden zwei ganz aufregende Wochen für alle, die mal was Neues im Fernsehen sehen möchten.
Also wieder die beiden Bestandteile eines typischen Elstner-Rezepts: unbekannte Menschen mit verrückten Ideen – und eine Mischung, die so bunt ist, dass für jeden was dabei ist?
Ja. Wobei wir die Mischung so bunt machen, dass diese Programme gar nicht alle RTL 2-tauglich sind. Das Siegerformat wird bei RTL 2 einen Sendeplatz in der Prime Time kriegen und mindestens dreimal laufen. Aber es ist durchaus möglich, dass das zweit-, dritt- oder achtplatzierte ein Superformat ist für einen anderen Sender. Dann werden wir uns bemühen, es dort unterzukriegen. Ich sehe mich als Treuhänder der Zuschauer, die an uns geschrieben haben. Ich biete ihnen an, mich eine zeitlang um die Formate zu kümmern.
Die frühere VIVA-Moderatorin Alexandra Bechtel wird die Formate präsentieren. Hat es Sie nicht gereizt, selbst zu moderieren?
Das hat mich überhaupt nicht gereizt. Ich bin heute in einem Alter, wo ich mir sage, dass die Unterhaltung von Jüngeren gemacht werden sollte. In die Menschen der Woche passe ich heute doch viel besser rein. Um so eine journalistische Sendung durchzuziehen, braucht man sehr viel Erfahrung. Vor 20 Jahren wäre ich wahrscheinlich zu grün hinter den Ohren gewesen, um diese Sendung zu meistern. Aber für eine reine Stimmungsklamotte sollte man jüngere Moderatoren nehmen. Und warum sollte ich denen den Arbeitsplatz streitig machen?
Sie waren mal der Samstagabend-Star im Zweiten, jetzt moderieren Sie im Dritten.
Mir ist das völlig Wurscht. Mir geht es nicht darum, ob ich Bundesliga spiele oder zweite. Mir geht es einzig und allein um das Produkt. Und das Produkt „Menschen der Woche“ stimmt. Ich mache das wahnsinnig gerne und hoffe, ich kann es noch fünf, sechs Jahre machen. Seit unserem Start vor einem Jahr haben wir die Quote verdoppelt. Vorletzte Woche hatte wir fast zwölf Prozent - für ein Drittes Programm ist das sensationell.
Warum produzieren Sie die „Fernsehmacher“ ausgerechnet für RTL 2?
Ich hab mehrere Sender gefragt. Ein solcher Wettbewerb verlangt einen rigorosen Strich im Programm. Wenn ich beim ZDF frage, dann sagen die: Ja, wunderbar, vielleicht im Jahr 2004. RTL 2 konnte als erster zwei Wochen lang täglich eine Stunde für mich freimachen. Dieser Sender hat schon immer Mut zu Experimenten bewiesen.
Die ARD hätte neue Unterhaltungsformate doch viel nötiger.
Ich habe sehr gute Kontakte zur ARD und habe sie immer über das Projekt auf dem Laufenden gehalten. Ich bin ganz sicher, dass wir die eine oder andere Idee unserer Fernsehmacher der ARD anbieten werden und dass diese darüber sehr froh sein wird.
Das ZDF will dafür den „Großen Preis“ wiederbeleben. Das ist doch ziemlich kreativ undhat Sie bestimmt auch überrascht.
Im Gegenteil. Wenn man diese Sendung gut macht, wird sie immer erfolgreich sein.
Sind Sie nicht der Meinung, dass die deutsche TV-Unterhaltung etwas armselig dasteht?
Überhaupt nicht. Das Problem ist nur, dass über die ganz erfolgreichen Sendungen, die zehn Millionen oder mehr erreichen, in den Medien überproportional berichtet wird. Und die mit drei Millionen Zuschauern werden zu wenig beachtet. Ich finde, es gibt im deutschen Fernsehen erstklassige Unterhaltungssendungen. Und es gibt gute Moderatoren, denen man einiges zutrauen kann. Wenn Sie jetzt nur an den Erfolg von diesem Bully denken. Oder Harald Schmidt, der macht eine Leistungs-Show von brillanter Intelligenz, und Stefan Raab ist so erfrischend. Nie war das Fernsehen spannender als heute.
INTERVIEW: ALEXANDER KÜHN
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