: Legehennen verlieren Käfig
Ein Vorzeigeprojekt der Ministerin Künast vor der Vollendung: Käfighaltung wird nach Übergangsfrist verboten. Einige Bundesländer sind wenig begeistert von der neuen Verordnung, stimmen aber anscheinend am 19. Oktober mehrheitlich zu
von REINER METZGER
„Zuversichtlich“ zeigte sich gestern Renate Künast, dass die lange umstrittene und hoch politische Käfighaltung für Legehennen in Deutschland bald ein Ende haben wird. Die grüne Bundesministerin für Verbraucherschutz und Landwirtschaft hat Grund zu dieser Einschätzung: CDU/CSU-Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg signalisierten in letzter Zeit ihre Zustimmung. Und selbst die Länder mit einer größeren Anzahl von Hühnerfarmen – wie Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg – zeigten sich gestern im Gegensatz zu früher nicht mehr völlig ablehnend. Es gibt also anscheinend nur noch zustimmende und sich enthaltende Länder. Die entscheidende Abstimmung ist am 19. Oktober im Bundesrat.
Künast stand ursprünglich vor der Aufgabe, bis Anfang 2002 die EU-Richtlinie zur Legehennenhaltung umzusetzen. Laut EU bleibt die Käfighaltung erlaubt, lediglich der Platz pro Huhn muss stufenweise etwas größer werden, Sitzstangen und eine Scharrecke würden ab 2012 Mindeststandard. Die Vorlage der Bundesregierung nutzt aber den Spielraum der Richtlinie und wollte ursprünglich die Käfighaltung für die derzeit etwa 36 Millionen Legehennen in Deutschland ab 2007 ganz verbieten.
Dagegen opponierten nicht nur der Deutsche Bauernverband, sondern auch diverse Landesregierungen. Tierschutz- und Umweltverbände bis hin zu den Kirchen hingegen unterstützten die Bundesministerin oder forderten strengere Regelungen.
Nach und nach ließ sich anscheinend eine Landesregierung nach der anderen vom Bundesministerium überzeugen. Als Kompromiss zeichnet sich ein Verbot ab dem 1. Januar 2010 ab. Dann dürfen Legehennen nur noch im Freien, in Bodenhaltung oder in sogenannten Volieren gehalten werden. Volieren sind Großkäfige mit bis zu 6.000 Tieren.
Argumente lieferte auch eine speziell für das Haus Künast angefertigte Umfrage unter 4.000 Befragten. Demnach lehnen 91 Prozent der Deutschen die Käfighaltung ab und das quer durch die Bevölkerungs- und Wählerschichten etwa gleich stark. Kein Ministerpräsident wollte wohl am Schluss als Bösewicht dastehen, der die Hennen weiterhin in die Käfige verbannt.
Niedersachsen ist das Bundesland mit den meisten Eier produzierenden Betrieben und setzte laut Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) durch, dass nach zwei Jahren die Verordnung überprüft wird – ob sie wirklich Verbesserungen bei der Zahl der verendeten Tiere, der Menge an verfütterten Antibiotika etc. gebracht hat. Nicht, um die Verordnung wieder zu kippen, so Bartels gestern, sondern weil derzeit „der Tierschutz nicht ausreichend berücksichtigt ist“.
kommentar SEITE 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen