: Gesundheitsrisiko Koalition
Der Rechtsblock will Hamburg sicherer machen. Die taz prüft. Heute: Drogenpolitik ■ Von Elke Spanner
Die neue Koalition ist angetreten, die Stadt sicherer zu machen. Doch sich sicher zu wähnen heisst nicht allein die Gewissheit zu haben, dass einem in der U-Bahn nicht die Handtasche entrissen wird. Als sicher kann sich nur ein Gemeinwesen titulieren, auf dessen Strassen man als Fußgänger und Radfahrer nicht um sein Leben bangen muss, in dem man keine Angst vor Arbeitslosigkeit, sozialem Abstieg, verweigerten Bildungschancen oder mangelnder Gesundheitsversorgung haben muss. Die taz prüft in heute beginnender loser Reihe, inwieweit die bisher ausgehandelten Koalitionsvereinbarungen die Stadt Hamburg tatsächlich sicher machen.
Die Rechtskoalition hat bereits ihre Vereinbarungen zur Gesundheits- und Drogenpolitik präsentiert. Und darin ein neues Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung geschaffen. In Hamburgs Gefängnissen sollen keine Spritzen mehr ausgegeben werden. Der damalige Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) hatte den Spritzentausch eingeführt, weil sich zuvor unzählige DrogenkonsumentInnen hinter Gittern mit Krankheiten wie Hepatitis und HIV infiziert hatten. Sie haben sich Spritzen geteilt – und sich gegenseitig angesteckt.
„Bis zu sechs Leute haben sich früher über Monate eine einzige Spritze geteilt“, weiß Norbert Dworsky, Geschäftsführer des Drogenhilfeträgers „freiraum“. Andere, die keinen Zugang zu Spritzen hatten, hätten sich „umgebaute Kugelschreiber in die Arme gestoßen“. Wird den Gefangenen nun die Möglichkeit genommen, sterile Spritzen zu benutzen, sei nicht allein ihre Gesundheit gefährdet, sagt Dworsky. Denn wenn die Gefangenen eines Tages mit den Infektionen entlassen werden, „werden sie in der Gesellschaft zu Multiplikatoren“. Der Beschluss der Koalition sei insoweit ein „gesundheitspolitisches Desaster“. Im Übrigen seien die drogenpolitischen Maßnahmen im Wesentlichen „die Fortschreibung dessen, was die SPD ohnehin schon eingeleitet hatte“.
Rainer Schmidt, Geschäftsführer der „Palette“, sieht das ebenso. Er geht davon aus, dass hinsichtlich des Konsums illegaler Drogen die Stadt „in den kommenden vier Jahren weiterhin die bekannten Probleme haben wird“. Die Rechtskoalition habe kein eigenes Konzept – ebensowenig, wie zuvor rot-grün eins gehabt habe.
Eine Gefahr habe die neue Rechtskoalition indes geschaffen: Sie habe die Stimmung gegenüber Drogenabhängigen derart aufgeheizt, dass sich einzelne Sachbearbeiter und Polizisten hemmungslos ihren Stigmata hingeben könnten. Es gäbe zahlreiche BehördenmitarbeiterInnen und auch PolizistInnen, die „immer schon einen Hass auf die Drogenszene hatten“ – und nun durch den Rechtsblock den Rücken gestärkt bekommen hätten.
Sicher können sich auf der Gegenseite nun Hamburgs PolizistInnen fühlen. Sie müssen keine Angst mehr haben, wegen möglicher Misshandlungen belangt zu werden. Die Rechtskoalition hat als Maßnahme der „Inneren Sicherheit“ beschlossen, das Kontrollorgan, die Polizeikommission, aufzulösen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen