Liberale und weltoffene Stadt

Sicherheit über alles: Knast Neuengamme bleibt auf KZ-Gelände, Polizisten vermehren sich und werden woanders abgeworben  ■ Von Peter Ahrens

Der Tag der langen Messer: Das Gefängnis Neuengamme wird nicht vom KZ-Gelände verlegt, die Polizeipräsenz wird „massiv verstärkt“, der Maßregelvollzug verschärft, die Polizeikommission sofort aufgelöst, Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen beispielsweise in Bahnhofsnähe ausgebaut, der Verfassungsschutz vor jeder Einbürgerung von Ausländern eingeschaltet und die erlebnispädagogischen Reisen für jugendliche Straftäter werden abgeschafft. Es ist der Tag der Inneren Sicherheit bei den Koalitionsverhandlungen für den Rechtsblock, und FDP-Chef Rudolf Lange spricht am Ende seinen täglichen Standardsatz: „Die liberale Handschrift zieht sich durch alle Ergebnisse. Wir haben uns in sämtlichen Punkten durchgesetzt.“ Sein Verhandlungspartner Ronald Schill sagt das von sich auch – und das zu Recht.

Der noch durch die Sondierungsgespräche der Vorwoche geisternde Terminus von den kommunalen Ordnungsdiensten, die in Uniform Polizeiaufgaben wahrnehmen sollen, ist allerdings vom Tisch. Dafür werden die so genannten Angestellten im Polizeidienst AIP in neunwöchigen Crashkursen zu Hilfspolizisten ausgebildet und dürfen dann bewaffnet durch die Stadt laufen. Zum Beispiel zum Aufspüren von Graffiti-Sprayern, die, falls ertappt, ihre Tags selbst beseitigen müssen.

50 Millionen Mark stellt der Dreibund parat, um Polizisten aus anderen Bundesländern abzuwerben. Schill weiß auch schon, warum Beamte aus Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen ausgerechnet in die Stadt wechseln sollen, die im Wahlkampf noch „Hauptstadt des Verbrechens“ war: „Das polizeiliche Betätigungsfeld ist in Hamburg ja viel reichhaltiger als anderswo.“

Die Rote Flora wird wohl vorerst nicht zu diesen Betätigungsfeldern gehören. „Zivilrechtlich ist eine Räumung nicht mehr möglich“, war von Beust das Bedauern über die neuen Besitzverhältnisse am Schulterblatt geradezu anzuhören. „Wenn das Polizeirecht es für nötig hält“, werde man allerdings gegen die Floristen vorgehen.

Die Haftanstalt Neuengamme nicht zu verlegen, begründet von Beust vor allem damit, „zu wenig Haftplätze in Hamburg zur Verfügung zu haben“. So wird der neue Knast Billwerder, der Ersatz für Neuengamme werden sollte, trotzdem gebaut. Es sei eine „Güterabwägung“ gewesen, den Knast auf dem KZ-Gelände zu belassen. Die Entscheidung von 1948, das Gefängnis überhaupt an diesem Standort zu bauen, sei „der eigentliche Sündenfall, der heute ja weitgehend nicht mehr als taktlos betrachtet wird“, glaubt der künftige CDU-Bürgermeister. „Nur wegen eines historischen Fehltrittes“ auf Haftplätze zu verzichten, habe man nicht eingesehen. Man sei sich allerdings „der Symbolik und des Diffamierungspotenzials, das in dieser Entscheidung steckt, bewusst“.

Haftplätze sollen künftig anders aussehen, „nämlich nicht mehr so komfortabel ausgestattet“, wie Schill formulierte. Zellen in Santa Fu „erinnern heute mehr an Wohnzimmer als an Haftplätze“, daher werde es künftig zum Beispiel keine Fernseher mehr auf den Zellen geben.