: Kulturelle Provinz
■ Geld nur bei Bewusstseinserweiterung? Intendanten kritisieren Strafandrohung
Gelassenheit, Unglaube, Verwunderung: Breit war gestern die Palette Hamburger IntendantInnen-Reaktionen auf die Erklärung des Rechtsblocks zu den veröffentlichten Koalitionsverhandlungen – ein Papier, das sich weniger konzeptionell als restriktiv gebärdet. Von „Ziel- und Leistungsvereinbarungen“ als Bestandteil künftiger IntendantInnen-Verträge ist darin die Rede, deren Nichteinhaltung mit „zügigen Konsequenzen“ geahndet werden sollen.
„Es ist ein enormer kulturpolitischer Rückschritt, den Spielraum der künstlerischen Avantgarde von ihrem wirtschaftlichen Erfolg abhängig machen zu wollen“, betont Kampnagel-Intendantin Gordana Vnuk. „Ich wüsste gern, welche Maßstäbe hier eigentlich angelegt werden sollen“, ergänzt Schauspielhaus-Intendant Tom Stromberg, gegen den die Formulierungen des Rechtsblocks wohl hauptsächlich zielen. „Woran soll man den künstlerischen Rang eines Theaters messen: an Einnahmen, Besucherzahlen, guten Kritiken?“, fragt der aufgrund seines oft anti-bildungsbürgerlichen Programms umstrittene Intendant.
Konkreta vermisst auch Thalia-Intendant Ulrich Khuon in dem Papier: „Es ist nicht sinnvoll, solche Zielvorgaben inhaltlich beschreiben zu wollen: Soll man die Bewusstseinserweiterung des einzelnen Zuschauers nachmessen? Das scheint mir nicht praktikabel zu sein.“ Und dem Theaterstandort Hamburgs zudem nicht sonderlich zuträglich: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine künstlerische Persönlichkeit von Format finden wird, die einem Vertrag mit fest definierten Ziel- und Leistungsvereinbarungen zustimmen würde“, gibt Gordana Vnuk zu bedenken. „Sollte die Stadt Hamburg auf solchen Klauseln bestehen, steht zu befürchten, dass die Kulturmetropole zur kulturellen Provinz verkommt.“
Oder wie Kammerspiel-Leiter Ulrich Waller es formuliert: „Man merkt dem Papier an, dass es nicht von Kulturpolitikern, sondern von Juristen formuliert wurde. Daher auch der Primat der Bestrafung vor der inhaltlichen Definition der kulturellen Landschaft in dieser Stadt. Dieses Papier spiegelt die Stimmung in der Stadt bezüglich eines bestimmten Theaters, ist aber von keinerlei Konzept beflügelt.“
Petra Schellen
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