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Ja oder nein zum Krieg?Unangemessener Krieg

■ Wie steht Bremen zum Krieg? Eine kleine Umfrage der taz (Teil 8)

Pastor Ulrich Finckh ist Vorsitzender der bundesweiten Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen mit Sitz in Bremen. Für die taz hat er Gedanken zum Krieg gegen Afghanistan zu Papier gebracht.

Wer Gerechtigkeit will, muss sich selbst an das Recht halten. Internationale Streitfragen, die den Frieden bedrohen, gehören vor den Sicherheitsrat der UNO. Nur bis zu seinem Eingreifen gibt es ein „Selbstverteidigungsrecht“.

Dass die USA und Großbritannien Krieg führen, hat der Sicherheitsrat akzeptiert. Ich halte es trotzdem für unangemessen. Wenn sich ein Massenmörder in einem Stadtteil versteckt, käme niemand auf die Idee, ganze Straßenzüge zu bombardieren. In den USA und Europa halten wir Frieden, Sicherheit, Wohlstand und eine gesunde Umwelt für selbstverständlich. Dagegen fragt die Dritte Welt nach Gerechtigkeit, ausreichender Nahrung, sauberem Wasser und Hilfe gegen die vielen Krankheiten. Tag für Tag verhungern unzählige Kinder oder verlieren ihre Eltern durch Krankheiten.

Unseren Wohlstand erkaufen wir mit dem Elend dort und mit Kollateralschäden bei uns: Tau-sende Unfalltote jedes Jahr und Hunderttausende, die an Berufskrankheiten oder an Luxusdrogen wie Alkohol oder Nikotin vorzeitig sterben. Wir erschre-cken erst bei großen Unglücken, wenn ein Jumbojet abstürzt, eine Fabrik explodiert oder ein AKW außer Kontrolle gerät. Doch letztlich nehmen wir das hin . Unsicherheit ist der Preis unseres Wohlstandes im Industriezeitalter. Voraussetzungen unserer Industriegesellschaft sind individuelles Engagement sowie rechtlich geordnetes und von allen akzeptiertes Miteinander. Dazu gehört auch, wenn Verbrechen geschehen, die angemessene Suche nach Tätern, Anstiftern, Helfern und Mitwissern, um sie zur Rechenschaft zu ziehen – rechtsstaatlich, nicht durch Selbstjustiz. Das gilt erst recht für schauerliche Verbrechen wie die am 11. September.

Zusätzlich sollten wir aber überlegen, was Menschen zu solchen Selbstmordtaten antreibt. Warum taten sie das gerade am Jahrestag des von den USA betriebenen Putsches von Pinochet in Chile? Religiöser Wahn? Oder Aufschrei der Dritten Welt gegen Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch? Frieden und Achtung der Menschenrechte gibt es nicht ohne Gerechtigkeit, Gerechtigkeit nicht ohne sozialen Ausgleich und Sicherheit nicht ohne friedliches Miteinander, das alle wollen und das die Vereinten Nationen zwischenstaatlich zu regeln haben. Dafür können und müssen wir mehr tun.

Wer Risiken durch staatliche Überwachung ausschalten will, sollte daran denken, dass staatlicher Machtmissbrauch den schlimmsten Terror bringen kann. Freiheit schließt Risiken ein, aber ohne Freiheit sind Risiken noch größer – nicht erst bei Hitler, Stalin oder Mao, sondern überall, wo Menschen Macht haben.

Ulrich Finckh

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