: Ehrenwerte und missratene Söhne
Lesbisch Schwule Filmtage: Die Mafiafilm-Persiflage „Friends & Family“ ■ Von Gerd Bauder
Was ist nur mit der Mafia los? Waren die Scarfaces und Godfathers einst Ehrfurcht erregende Patrones, so sind sie heute depressive Weicheier wie in Analyze This oder ungebildete Schmierenganoven wie in Ghostdog. Die Zeit der ehrenwerten Gesellschaft ist wohl vorbei – oder zumindest die ihrer alten machistischen Werte.
Don Victor, der Mafiaboss in Friends & Family, hat das begriffen. Ganz liberaler New Yorker, lebt er das mondäne Leben eines Geschäftsmannes. Dabei stört es ihn nicht nur nicht, dass seine beiden Bodyguards und Geldeintreiber, Danny und Stephen, schwul sind. Nein, er steht dem Paar, ganz väterlicher Freund, auch gerne bei privaten Problemen zur Seite.
Eines dieser Probleme ergibt sich mit der plötzlichen Ankunft von Stephens Eltern. Die wissen nämlich nichts von Dannys und ihres Sohnes wahrer Identität und halten die beiden – falsch: nicht für Heteros, sondern – für Betreiber eines Highclass-Cateringservices. Doch woher einen solchen nehmen, wenn nicht stehlen? Zum Glück gibt es den Patrone. Der stellt Räumlichkeiten zur Verfügung und hilft mit seinem Clan aus.
Als Stephen ein Dinner für seine Eltern gibt, sorgen Don Victors „missratenen“ Söhne, die partout nicht töten wollen, sondern lieber kochen und schneidern, für die stilechte „Show“. Den schwierigsten Part müssen derweil des Paten hartgesottenen „Jungs“ übernehmen. Sie sollen, damit Stephens homophile Eltern keinen Verdacht schöpfen, schwule Kellner mimen. Ein wahrer Knochenjob, den die hartgesottenen Mafiosi in tagelangem Intensivunterricht erlernen. Immerhin zu Beginn des Dinners läuft alles prima, bis unangekündigte Gäste das Verwechslungsspiel aufdecken.
Einen schönen Klamauk hat sich Regisseurin Kristen Coury da ausgedacht. Ihre geradezu klassisch erzählte Komödie ist inszenatorisch vielleicht etwas zu konventionell und mainstreamig geraten. Andererseits bleibt dadurch dem Ensemble mehr Raum. Flott und freudig agieren die Dartseller in dem Spiel um Identitäten. Der Kniff, der die oft erzählte Geschichte vom Schwulen, der sich als Hete ausgeben muss, umdreht, liefert dabei nicht nur den Hintergrund für Lacher, die Mafiosi beim Erlernen schwuler Ikonografie und Verhaltenskodizes evozieren. Er zeigt auch, dass die Vorstellung von „Normalität“ letztlich nur eine Frage des Standpunktes ist. Gerade nebenbei verhandelte (US-) Normalitäten wie rechts gerichtete Milizen oder bigotte Religiosität machen dies deutlich. Vordergründig leichte Kost, singt Friends & Family somit – neben Oper und Swing – auch das Hohelied der Toleranz.
heute, 18 Uhr, Zeise
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