: Harmlose Krankenpfleger
„Ein Spiel, in dem alles läuft, wie man es sich wünscht“: Schalke 04 gewinnt auf Mallorca sein erstes Champions-League-Match. Das 0:4 kostet Gästetrainer Bernd Krauss nach nur zwei Monaten den Job
aus Palma de Mallorca MATTI LIESKE
Wer wissen wollte, wie ein waschechter Verlierer aussieht, der brauchte sich nach dem Spiel RCD Mallorca gegen Schalke 04 nur Bernd Krauss anzusehen. Mit trübem Blick saß der Trainer der Mallorquiner hinter seinem Pult, das Gesicht grauer als die Haare von Werner Lorant, die Stimme so tot, als habe er sie von einem schlechten Udo-Lindenberg-Imitator geklaut und dabei so leberwurstig beleidigt, dass man meinte, eine Inkarnation von Berti Vogts vor sich zu sehen. Nahezu identisch Mimik und Körpersprache, und auch die Durchhalteparolen, die Krauss nach dem schmählichen 0:4 im eigenen Stadion von sich gab, klangen merkwürdig kleinenbroichig. Zu allem Übel verfolgt die örtliche Presse den unglücklichen Deutschen mit einem Hass, der nach nur zweimonatiger Amtszeit kaum zu erklären ist und gestern Früchte trug. Krauss wurde von Klubpräsident Mateo Alemany entlassen. „Das Einzige, was ich will, ist, dass die Spieler schnell wieder ihre Normalform erreichen“, sagte Alemany. Der Kroate Sergio Kresić sei als Nachfolger verpflichtet worden.
Wer wissen wollte, wie ein waschechter Sieger aussieht, der brauchte sich nach dem Match im Stadion Son Moix nur Huub Stevens anzusehen. Pumperlgesund schaute er aus, als habe er gerade ein Fass Rotbäckchen auf Ex getrunken, freudig blitzten die Augen, kräftig tönte sein Bariton, so wie es sich gehört für einen, der alles richtig gemacht hat, nach den letzten Pleiten Thon und Wilmots fürs kampfschweinische Mittelfeld exhumiert und den Argentinier Matellán für Jörg Böhme gebracht. Der war tags zuvor vom verbalwütigen Manager Rudi Assauer als einer jener bösen Spieler geoutet worden war, die sich für „Könige“ halten und vom „Puderzucker“ leben: „Aus der vierten Liga geholt, jetzt Nationalspieler“, und schon wollen sie nur noch am Strand rumhängen und nicht mehr trainieren. Stevens hatte den montäglichen Strandausflug am Ende genehmigt und durfte sich auch dafür gratulieren nach einem Spiel, „wie man es sich wünscht; in dem alles läuft wie geplant“. Das war keineswegs zu erwarten.
Eigentlich hätte man Spieler, Trainer und Funktionäre unter Hinzuziehung einiger mallorquinischer Journalisten in eine Sporthalle sperren und ihnen eine handfeste Keilerei jeder gegen jeden verordnen müssen. Da jedoch die Uefa nicht zu den Befürwortern brachialer Formen der Konfliktlösung gehört, wurde schließlich doch gekickt, was bloß Mallorcas Stürmer Eto’o und Schalkes Hajto nicht mitbekommen hatten. Ihr handgreifliches Intermezzo in der 25. Minute entschied die Partie endgültig, weil Mijnheer Jan Wegereef, offenbar ein Absolvent der niederländischen Dick-Jol-Akademie für umnachtete Schiedsrichter, nicht den Provokateur bestrafte, sondern nur den Widerpart, Eto’o also, der den Schalkern bis dahin die Beine krumm gedribbelt hatte. „Die Rote Karte, die Tore, wir hatten auch das Quentchen Glück, das man braucht“, freute sich Huub Stevens unverhohlen über den wohltuenden Gang der Dinge.
Zum Zeitpunkt des Platzverweises hatte Schalke schon zwei Tore geschossen, nicht weil die Mannschaft besser spielte, sondern weil Mallorca, letzte Saison noch das Bollwerk der spanischen Liga, haarsträubende Abwehrfehler „im Stile einer Schülermannschaft“ (Krauss) beging. „Müde im Kopf“ sei das Team, wegen der vielen Spiele, behauptet Krauss und sagt auch sonst meist das Falsche. Zum Beispiel, dass Mallorca eben nicht Real Madrid oder der FC Barcelona sei, was auf der Insel niemand hören will. Schließlich bestand das Fußballwunder der letzten Jahre gerade darin, dass man trotz beschränkter Mittel mit den großen Teams mithalten und sie kräftig piesacken konnte. Er denke positiv, pflegt Bernd Krauss mit Leichenbittermiene zu verkünden, um dann eine defätistische These nach der anderen zu formulieren, auch hierin ganz der Vogts. „Jeder Spieltag mehr ist ein Schritt weniger“, schrieb ungeduldig El Diario. Am Sonntag beim Heimspiel gegen Vallecano will Mallorca wieder große Schritte nach vorn machen, während Krauss seine Koffer packen kann. Zum zweiten Mal hat er nach seiner kurzen Leidenszeit bei Borussia Dortmund in rekordverdächtiger Zeit den Job verloren.
Für Schalke, das jetzt wieder auf eine bessere Zukunft hoffen kann, waren die von allen guten Geistern verlassenen Mallorquiner der ideale Aufbaugegner nach Assauers Kabinentirade wider den Schlendrian. „Er hat eine große Gabe für Worte“, gab Marc Wilmots zu und Stürmer Ebbe Sand meinte: „Wir haben alle auf die Fresse gekriegt. Das war unsere Antwort.“ Nach Arsenals 2:1-Sieg gegen Athen ist die Gruppe wieder offen, „realistisches Ziel“, so Sand, sei Platz drei und damit wenigstens der abgefederte Sturz in den Uefa-Cup. Siege heilen manche Wunden und die akutesten Malaisen der nach Assauers Meinung etwas zu königsblauen Schalker sind erst mal kuriert. Sicher ist: Auf solch harmlose Krankenpfleger wie den RCD Mallorca werden sie so bald nicht mehr treffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen