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Keine Frau für Waschlappen

Ein neuer Senat in Hamburg? Loki Schmidt, Gattin des Exkanzlers, kann das gleichgültig sein. Sie repräsentiert weiter

Loki Schmidt ist eine Blume. „Sie kann nicht immer stramm stehen, das muss sie lernen“, sagte der Lüneburger Professor Michael Otto einmal über sie. So wie alle Blumen es lernen müssen, ohne Wasser und Dünger auszukommen.

„Loki Schmidt“ war eine Auftragszüchtung. Der renommierte Hamburger Dahliengarten hatte sie 1996 beim Profizüchter Michael Otto bestellt, um seinen 12.000 Dahlien reichen Garten durch eine neue Schöne zu zieren. Otto wählte für das bestellte Produkt eine orange Tönung mit gelben Streifen. Sie wurde „Loki Schmidt“ genannt, um dadurch die Frau des Exbundeskanzlers, Hannelore, genannt Loki, als Deutschlands prominenteste Hobbybotanikerin zu ehren. Die Exkanzlergattin erschien persönlich, um ihre Dahlie zu taufen.

Nun war das nicht der erste oder letzte Einsatz Loki Schmidts in Sachen Repräsentation und Blumen. Unter anderem wurde sie schon Schirmherrin von norddeutschen Streuobstwiesen, ein Nadelgehölz bei Hamburg wurde nach Loki benannt, das dann allerdings dem skrupellosen Bauvorhaben eines Elektronikkonzerns zum Opfer fiel, und wo immer in Hamburg und um Hamburg herum Organisches in Gefahr war, wurde die Kanzlergattin a. D. zu Hilfe gerufen. Meistens kam sie und sprach markige Worte zugunsten von Blume und Natur.

Vor allem aber tritt Frau Schmidt seit 1980 jedes Jahr an, um in Hamburg die „Blume des Jahres“ vorzustellen. Heuer, das heißt gestern, war es das Hain-Veilchen, Viola riviniana. Die Hamburger Journaille liebt diesen Termin, man schickt einen Praktikanten hin und lässt ein schönes Foto machen, das lockert die Berichterstattung auf. Ausgerechnet heute allerdings beschäftigt sich alles mit der neuen Hamburger Koalition (vgl. Seite 8), da dürfte die Blume des Jahres etwas kleiner gefahren werden.

Dabei wäre angesichts des dräuenden Rückfalls Hamburgs in vorsozialdemkratische Zeiten eine Gelegenheit, die ehemalige Biolehrerin nicht nur als Blumenfachfrau zu preisen, sondern auch als Heroin der weiblichen Emanzipation. Loki Schmidt, Jahrgang 1919, Rollkragenpulli, kurze Haare, „Ich rauche seit ich zehn bin“-Qualmerin, hat nie einen Hehl daraus gemacht, was sie von Rollenzuschreibungen hält.

Bei einem Staatsbesuch im saudi-arabischen Riad habe sie sich beim Erklingen der Nationalhymne neben den arabischen Herrscher auf den roten Teppich gestellt, erzählte sie neulich – das sei dort noch nie vorgekommen und habe beträchtlichen Aufruhr verursacht. „Du stehst jetzt hier für alle Frauen dieser Erde“, habe sie sich gesagt.

Aber auch in Privatdingen hat sich Loki nie im Pfeifenqualm ihres Gatten versteckt. Sie pries in der Öffentlichkeit den Wert getrennter Schlafzimmer an und gab zu, ihren Ehemann ab und zu mit Waschlappen zu bewerfen. Das Paar feiert übrigens in kürze Diamantene Hochzeit.

Angesichts von so viel Munterkeit in Kombination mit Beharrungsvermögen ist es verzeihlich, dass Loki gerne ein sehr bekanntes und irgendwie wirres Klagelied über Werteverfall und insbesondere über die fehlenden Manieren bei jungen Leuten anstimmt. Irgendwie dürfen das so alte Damen mit Rollkragenpulli, die so lange stramm gestanden haben und dabei so lässig aussahen. ULRIKE WINKELMANN

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