: Eine zum Anfassen
Der Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Dieter Hapel (CDU), versucht sich bürgernah zu geben. Aber an seine Vorgängerin in Schöneberg, Elisabeth Ziemer, reicht er nicht heran.
von PLUTONIA PLARRE
Politik kann grausam sein. Da kämpft eine Bürgermeisterin jahrelang für Verbesserungen im Schönberger Quartier, erzielt sichbare Erfolge, und dann kommen ein paar Herren von der CDU und heimsen die Lorbeeren ein. So erging es der Grünen Elisabeth Ziemer, die nach der Fusion von Schöneberg mit Tempelhof mit dem Stadtratsposten für Gesundheit und Bürgerdienste abgespeist worden ist. Aber Ziemer wäre nicht Ziemer, wenn sie klein beigeben würde. Mit dem Slogan, „Ziemer: Spitze“, tritt die 49-jährige Doktorin für Kunstgeschichte bei den Wahlen am Sonntag als Bürgermeisterkandidatin der Grünen für Tempelhof-Schöneberg an.
Leicht werden sie es nicht haben. Tempelhof und Schöneberg unterscheiden sich wie Tag und Nacht. In dem vergleichsweise kleinen Schöneberg tummelt sich das bunte Leben in multikulturellen Kiezen. Der Ausländeranteil liegt bei 21 Prozent, fast doppelt so hoch wie in Tempelhof. Die Wahlen im Oktober 1999 waren für die Grünen in Schöneberg ein Heimspiel, sie holten 28,7 Prozent. Das flächenmäßig wesentlich größere Tempelhof, das südlich des Flughafens in Einfamilienhäuser und Jägerzaunidylle mündet, ist dagegen eine Hochburg der CDU. Mit 57,7 Prozent erzielte sie dort ihr berlinweit bestes Ergebnis noch vor Zehlendorf.
Aufgrund des schlechten Landestrends werden die Konservativen ihre absolute Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) nun aber voraussichtlich verlieren. Die CDU hat dort 38 von insgesamt 69 Sitzen und stellt seit der Fusion mit Dieter Hapel (CDU) den Bürgermeister sowie drei Stadträte. Zweistärkste Partei ist die SPD mit 18 Sitzen, gefolgt von den Grünen (12 Sitze) und der PDS (1 Sitz). SPD und Grüne stellen jeweils einen Stadtrat. Ebenso wie Elisabeth Ziemer für die Grünen tritt der Stadtrat für Volksbildung und Kultur, Ekkehard Band, für die SPD als Spitzenkandidat an.
Da keine der Parteien die absolute Mehrheit erzielen wird, müssen die Fraktionen für die Wahl des Bürgermeisters und der Stadträte Zählgemeinschaften bilden. Der Fraktionssprecher der Grünen, Wolfgang Erichson, kündigt zwar an: „Unser Ziel ist, dass Frau Ziemer in den Verhandlungen über eine Zählgemeinschaft mit der SPD Bürgermeisterin wird.“ Er weiß aber auch, dass die SPD deutlich mehr Sitze als die Grünen erlangen und deshalb nicht freiwillig auf den Bürgermeisterposten verzichten wird. Mit Band haben die Grünen allerdings ziemliche Schwierigkeiten. Der Tempelhofer gilt als verknöcherter unkommunikativer Bürokrat. Band habe die dezentrale Kulturarbeit in Schöneberg –“eine grüne Errungenschaft der letzten zehn Jahre“ – extrem beschnitten, klagt Erichson. Früher sei in Schöneberg eine Mark pro Kopf für Kultur ausgegeben worden, jetzt seien es nur noch 20 Pfennige.
Aber auch Dieter Hapel (CDU) ist alles andere als ein grüner Wunschkandidat. Der 50-jährige Postoberinspektor und Verwaltungswirt war vor der Fusion gerade mal zwei Jahre Bürgermeister von Tempelhof. Zuvor saß er über 15 Jahre im Abgeordnetenhaus, wo er sich als Wadenbeißer und Hardliner in sicherheitspolitischen Fragen einen zweifelhaften Ruf erwarb. In Anlehnung an die große Sympathie, die Hapel dem früheren Innensenator und CDU-Rechtsaußen, Heinrich Lummer, entgegenbrachte, nannte ihn der damalige innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, „Lummers treuesten Schildknappen“.
Seit er Bürgermeister ist, polarisiert Hapel zwar deutlich weniger. Er besuchte auch schon mal den Schwulen-Kiez, Immigranten- und Kulturprojekte. Auch den Antrag der Grünen, den Freien Trägern 2002 kein Geld zu kürzen, unterstützte er. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass hier ein Wolf im Schafspelz auf Stimmenfang geht.
„Hapel gibt sich bürgernah. Ziemer ist es“, sagte einer, der beide als Bürgermeister erlebt hat. Zum Beispiel bei dem Schöneberger Präventionsrat, den Elisabeth Ziemer aufgebaut hat. Hier kommen Verwaltungsmitarbeiter, Polizisten und Bürger regelmäßig zusammen, um Probleme im Kiez zu besprechen. Vom Müll im Hinterhof über Spritzen auf Spielplätzen bis zum Raub auf der Straße – alles wird thematisiert. Während Hapel für ein Stündchen vorbeikommt und zuhört, hat Ziemer den Präventionsrat stets persönlich geleitet und ist danach auch noch mit in die Kneipe gegangen, wo so manche gute Idee entstand. „Sie verkörpert das, was man unter einer Bürgermeisterin zum Anfassen versteht“, heißt es in Schönberger Polizeikreisen.
Die in Lübeck geborene Kunstgeschichtlerin ist bekannt dafür, dass sie Probleme nicht auf die lange Bank schiebt. Ihr Credo ist, den Bürger mitgestalten zu lassen, die Bürokratie klein zu halten.Was für gute Ergebnisse sie damit erzielte, zeigt das Quartiersmanagement in Schöneberg Nord. Quartiersmanagement bedeutet, dass die Verbesserung des Wohnumfeldes im problembeladenen Viertel für mehrere Jahre aus Senatsprogrammen besonders gefördert werden. Während andere Bezirke zwischen Anwohnern und Verwaltung einen Quartiersmanager als Mittler einschalteten, verzichtete Ziemer auf diese Instanz und sorgte dafür, dass sich Bürger und Verwaltung direkt an einen Tisch setzen.
Das Konzept ging auf. Viele Probleme in Schöneberg Nord sind bereits gelöst. Der so genannte Sozialpalast, inzwischen in Pallaseum umgetauft, ist das beste Bespiel. Die Wohnanlage mit über 1.600 Mietern galt aufgrund ihres Vielvölkergemischs und dem hohen Anteil an Sozialhilfeempfängern lange als sozialer Brennpunkt. Der Wohnblock ist heute kaum wiederzuerkennen. Um den Mieterbeirat aufzubauen, ist Bürgermeisterin Ziemer selbst zum Klinkenputzen durch das gesamte Hochhaus gezogen.
Die Zuständigkeit für das Quartiersmangement hat die CDU Ziemer sofort nach der Fusion entzogen. Dass Hapel und die grüne Gesundheitsstadträtin nicht miteinander können, ist kein Geheimnis. Aber dass Ziemer in der Presseerklärung anlässlich der Einweihung des Pallas-Parks Anfang Oktober mit keiner Silbe erwähnt wurde, lässt tief blicken. Ohne sie hätte es den Park, der neben dem Pallaseum an der Stelle eines Parkplatzes entstanden ist, nämlich nicht gegeben. Aber so ist Dieter Hapel nun mal. Auch bei der Einweihung des Pallas-Parks blieb der Bürgermeister sich treu. Nachdem er den „tollen Erlebnispark“ in einer kurzen Rede gelobt und eine Schubkarre nebst Schlauch übergeben hatte, schnappte er sich vom Buffet zwei belegte Brötchen und stiefelte zu seinem Dienstwagen. Die Gesundheitsstadträtin hingegen tat, was sie auch als Bürgermeisterin gemacht hätte. Sie mischte sich unter das feiernde Volk.
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