: Für Peres bleibt Arafat ein Partner
Der israelische Außenminister besucht die USA. Sein Amtskollege Powell hofft auf einen israelischen Abzug aus dem Westjordanland. Bundesaußenminister Fischer besucht die Region. Ein palästinensischer Amokläufer verletzt vier Menschen
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Ein palästinensischer Amokläufer hat gestern vier Menschen in Jerusalem verletzt. Offenbar aufgrund von Schulden richtete der Mann seine Handwaffe zunächst auf seinen israelischen Arbeitgeber, den Besitzer einer KFZ-Werkstatt. Anschließend schoss er auf Passanten und verletzte drei Menschen, bevor ihn ein Soldat niederstreckte und tötete.
Polizeichef Micky Levy erklärte in einer unmittelbar nach der Tat einberufenen Pressekonferenz, dass politische Motive für die Tat nicht ausgeschlossen seien. Der israelische Militärsender spekulierte über eine mögliche Verbindung des Mannes zur Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die in dem nur wenige Kilometer vom Tatort entfernten Bethlehem tätig ist.
Die PFLP hatte die Verantwortung für den Mord an Tourismusminister Rechawam Seewi am letzten Mittwoch übernommen. Israel besteht unverändert auf die Auslieferung der Täter, was die Autonomieverwaltung indes strikt ablehnt. Allerdings hatte Arafat – entsprechend der israelischen Forderung – am Wochende den militärischen Arm der PFLP verboten. Zu den Hauptverdächtigen gehört der neue Chef der PFLP, Achmad Saadat, der offenbar untergetaucht ist. Palästinensische Sicherheitskräfte verhafteten am Montag in Ost-Jerusalem vier weitere in dem Mordfall Verdächtige. Am Morgen berichteten palästinensische Zeitungen bereits über die Inhaftierung der für den Mord Verantwortlichen. Israelischen Informationen zufolge sollen sich die Täter jedoch noch auf freiem Fuß befinden.
Ungeachtet der jüngsten Eskalationen bekräftigte Israels Außenminister Schimon Peres im Verlauf seiner USA-Reise das Vertrauen in Palästinenserpräsident Jassir Arafat, der momentan der „einzige Partner“ im Friedensprozess sei. Er habe „seine Glaubwürdigkeit in den Augen der Israelis wiederhergestellt“, meinte Peres.
Allerdings liegt der Außenminister in diesem Punkt mit Ministerpräsident Ariel Scharon im Konflikt. Erst am Wochenende hatte Scharon Arafat erneut mit Taliban-Führer Ussama Bin-Laden verglichen. Peres hingegen erkennt den Wunsch des Palästinenserpräsidenten an, zum „Club der Terrorbekämpfer“ zu gehören. Dennoch könne man „einen Nicht-Raucher-Raum nicht mit einer Zigarre im Mund betreten“. Peres betonte, dass Israel nicht die Absicht habe, die palästinensische Führung zu stürzen, wie es am Vortag Finanzminister Silwan Schalom öffentlich forderte. In den Reihen der Arbeitspartei wird angesichts der erneuten Invasion in palästinensisches Gebiet der Austritt aus der Regierungskoalition diskutiert.
Die Vereinigten Staaten sind über die jüngsten Entwicklungen alles andere als glücklich. In einem Telefongespräch appellierte US-Außenminister Colin Powell Anfang der Woche an den israelischen Ministerpräsidenten, die Besatzung in der Umgebung von sechs palästinensischen Städten zu beenden. In einem Gespräch mit CNN erklärte Powell: „Ich hoffe, dass sie sich so schnell wie möglich zurückziehen, damit wir zum Prozess zurückkehren können, der hoffentlich zu einer Feuerpause führen wird.“ Ziel sei die Beseitigung von Gewalt, obwohl es ein schweres Ziel sei, so Powell weiter. Dann müsse man zum Mitchell-Plan zurückkehren und vertrauensbildende Maßnahmen einleiten.
Scharon wiederholte in dem Telefonat mit Powell, dass Israel nicht beabsichtige, „für ewig in der (palästinensisch kontrollierten) A-Zone zu bleiben“. Aus dem Umfeld des Premierministers hieß es gestern, dass Verhandlungen mit den Palästinensern nicht ausgeschlossen seien. Zuvor hatte die palästinensische Führung eine schrittweise Beruhigung vorgeschlagen, um einen Abzug der Truppen zu ermöglichen.
Neue Vermittlungsversuche werden auch von Bundesaußenminister Joschka Fischer erwartet, der am Donnerstag die Region besucht. Beim letzten Besuch hatte Fischer Zusagen von Peres und Arafat zu einem Treffen bekommen. Dies war jedoch nicht zustande gekommen. Fischer wird bei seinen Bemühungen über eine Wiederaufnahme von direkten Gesprächen von der Regierung in Washington unterstützt.
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