: Politischer Mord mit Ansage
In Mexiko lässt die Ermordung der Menschenrechtsanwältin Digna Ochoa Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit der Regierung des neuen Präsidenten Vicente Fox aufkommen
BERLIN taz ■ Als „schlimmsten Anschlag“ auf die mexikanische Menschenrechtsbewegung wertete der Theologe Miguel Concha die Ermordung der jungen Anwältin Digna Ochoa. „Nie zuvor wurden wir so getroffen und so bedroht.“ Tatsächlich erschien die Szenerie am vergangenen Freitag unmissverständlich: Mit einem Kopfschuss wurde die 37-Jährige in ihrer Kanzlei in Mexiko-Stadt gefunden. Neben dem Leichnam lag eine Maschinenpistole und eine an ihre ehemaligen Mitstreiter vom Menschenrechtszentrum Miguel Agustín Pro Juarez (PRODH) gerichtete Notiz: „Hurensöhne, wenn ihr so weitermacht, wird mehr als einem von euch dasselbe passieren.“ Solche Drohungen hatte die engagierte Juristin selber viele Jahre lang erhalten. Erst im Frühjahr dieses Jahres waren entsprechende Ermittlungen „mangels Indizien“ eingestellt worden.
Digna Ochoa galt als eine der engagiertesten Menschenrechtsanwältinnen Mexikos. Sieben Jahre lang arbeitete Ochoa im PRODH, das seit langem die Verstrickung staatlicher, militärischer und paramilitärischer Gewalt dokumentiert. So vertrat Ochoa in Guerrero die Überlebenden des Massakers von Aguas Blancas vom Juni 1995, ebenso wie zwei inhaftierte Campesino-Aktivisten, die sich gegen Holzfällerkonzerne gewehrt hatten; in Chiapas verteidigte sie Anhänger der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN.
Auf der Abschussliste stand Digna Ochoa schon lange. 1999 wurde sie gleich zweimal von unbekannten Männern verschleppt, beim letzten Mal verhörten sie ihre Entführer neun Stunden lang und verließen sie anschließend bei geöffneten Gashähnen ans Bett gefesselt.
„Wenn die mexikanischen Regierungen – die ehemalige und die jetzige – geeignete Maßnahmen ergriffen hätten, hätte man den Tod von Digna Ochoa verhindern können“, sagte die Beauftragte für Internationale Angelegenheiten von amnesty international, Irene Khan. Die Leiterin der Lateinamerika-Abteilung des Kennedy-Zentrums in Washington, Kimberley Stanton, wertete die neue Situation als „Feuerprobe“ für die seit zehn Monaten amtierende Regierung unter Präsident Vicente Fox. Gefordert wird vor allem die Überwachung der Ermittlungen durch Menschenrechtler und internationale Rechtsexperten.
Wie weit die Ermittler dabei in Militär- und Geheimdienstkreise vordringen können, ist unklar. Zwar will der zuständige Generalstaatsanwalt gegebenenfalls auch Armeemitglieder vorladen – bislang ein Tabu bei Menschenrechtsprozessen. Doch viele bezweifeln, dass regierungsamtlicher Goodwill ausreicht. „Vicente Fox hat gar keine reale Macht“, sagte José Lavaneros, ehemaliger Kollege der Ermordeten, gegenüber der Tageszeitung La Jornada. Und selbst offiziell eingesetzte Experten scheinen schockiert: „Ich dachte immer, es gibt in unserem Land heute Garantien für Menschenrechtler“, gestand der neue Vorsitzende der staatlichen Menschenrechtskommission CNDH, José Luis Soberanes, freimütig. „Aber das Attentat wirft Zweifel auf.“ ANNE HUFFSCHMID
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