: Grüne Veteranen loben Ampel
In Berlin treffen sich SPD, FDP und Grüne zum ersten Rendezvous. Ex-Ampel-Politiker Birthler, Fücks und Nooke erinnern an Erfolge in Brandenburg – und Probleme in Bremen
BERLIN taz ■ Am kommenden Montag treffen sich die drei möglichen Partner zum ersten gemeinsamen Gespräch. Die Berliner SPD unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit sprach gestern eine entsprechende Einladung an FDP und Grüne aus. Am Ende der Gespräche könnte eine Ampel-Koailition stehen –die dritte in der Geschichte der Bundesrepublik. Es wäre ein mutiges Projekt: Die Vorläufer in Brandenburg und Bremen Anfang der 90er Jahre gelten als gescheitert. Doch der schlechte Ruf ist ungerechtfertigt, meinen drei Politiker, die selbst an Ampeln mitwirkten.
„Dreier-Koalitionen sind nicht per se unmöglich“, fasst Günter Nooke seine Erfahrungen als Fraktionschef von Bündnis 90 in Brandenburg zusammen. Heute ist der frühere DDR-Bürgerrechtler Fraktionsvize der CDU/CSU im Bundestag. Trotz seines Parteiwechsels blickt er wohlwollend auf das Rot-Grün-Gelbe Bündnis zurück: „Es ist eine erstaunlich innovative Veranstaltung gewesen.“ Exbildungsministerin Marianne Birthler, heute oberste Stasi-Beauftragte der Republik, lobt das Ungewöhnliche an der Parteienmixtur: „Ein Stück Unberechenbarkeit ist ja auch innovativ.“ Nooke wie Birthler sind heute noch stolz auf die großzügige Ausweisung von Naturschutzgebieten, die Einführung einer Direktwahl der Bürgermeister und das Auskunftsrecht der Bürger gegenüber Behörden. „Eine Idylle war das nicht“, sagt Birthler vergnügt, „wir haben uns dauernd gezofft.“ Das Ende der Koalition sechs Monate vor den Landtagswahlen 1994 hatte trotzdem wenig mit dem Ampel-Modell zu tun: Der Grund waren die Stasi-Kontakte von SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe.
Für einen Regierungschef seien Ampel-Koalitionen sogar leichter zu leiten, denn er sei vor allem Moderator, meint Nooke. Selbst unter den Veteranen ist allerdings strittig, ob die Koalition in Potsdam eine klassische Ampel war. Bis zum Vereinigungsparteitag mit den West-Grünen Mitte 1993 war das Bündnis 90 schließlich eine reine Ost-Partei. „Die Konfliktlinien der alten Bundesrepublik haben uns wenig belastet“, sagt Birthler.
Eine direkte Empfehlung an die Grünen in Berlin will die Stasi-Beauftragte nicht abgeben. Sie belässt es bei einem Hinweis: Anders als Berlin heute war Brandenburg nicht das Machtzentrum der Republik. „Wir haben im Schatten des Leuchtturms regiert.“ Der CDU-Politiker Nooke sieht eine Ampel in Berlin skeptisch: „Ich habe da meine Zweifel, wie erwachsen die grüne Truppe um Sibyll Klotz ist“.
Ralf Fücks, einst grüner Umweltsenator in der Bremer Ampel, weist auf den besonderen Druck hin, dem Experimente ausgesetzt sind. „Die Dreier-Konstellation, das weiß man ja aus dem Privatleben, ist immer schwierig auszubalancieren.“ Doch wollen die Grünen in der Hauptstadt regieren, müssen sie sich in jedem Fall auf zwei Partner einlassen, etweder SPD und FDP, oder SPD und PDS, die allerdings auch ohne Grün über die absolute Mehrheit verfügen. Fücks warnt daher vor dem Risiko „als Anstandsdame auf dem rot-roten Sofa zu sitzen“.
Anders als in Brandenburg scheiterte das Experiment in Bremen 1995 an den fortwährenden Spannungen zwischen FDP und Grünen. Im „Piepmatz-Streit“ konnten sich Fücks und der FDP-Wirtschaftssenator Claus Jäger nicht über eine Industrieansiedlung zum Schaden der Vogelwelt einigen. Fücks, heute Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, gibt den Berlinern daher pragmatische Ratschläge: Eine Ampel brauche „eine sehr solide und präzise Koalitionsvereinbarung.“ Jeder Partner müsse in der Folge auf eigenem Terrain sagen können: „Das ist unser Erfolg.“ Zum dritten müssten die Ressorts der Landesregierung so zugeschnitten sein, dass es nicht zwangsläufig zum Konflikt komme. „Wir standen ständig vor der Frage, wer setzt sich gegen wen durch“, erinnert sich Fücks, „das ist auf Dauer tödlich.“
PATRIK SCHWARZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen