: Keine Toten, keine Verletzten
Die bisher konkurrierenden Deutschen Strombörsen gaben gestern ihre Fusion bekannt. Obwohl niemand der kleineren Leipzig Power Exchange eine Zukunft eingeräumt hatte, darf sie sich als Siegerin fühlen. Anteile gehen an Stadtwerke
aus Berlin NICK REIMER
Hans Schweickhardt, Chef der Frankfurter European Energy Exchange (EEX), prognostizierte einst: Wenn zwei Strombörsen in Deutschland an den Start gehen, wird es Tote und Verletzte geben. Für Schweickhard war auch klar, wer bluten wird: Der kleine Konkurrent in Sachsen – die Leipzig Power Exchange (LPX). Schließlich hatten sich die Energiewirtschaft und ihre Großkunden klar gegen Leipzig ausgesprochen.
Doch nun kam alles anders: Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben LPX und EEX gestern ihre Fusion bekannt. Die neue Gesellschaft wird den Namen der alten Frankfurter tragen – aber in Leipzig sitzen. „Frankfurt wird seine Börsenlizenz zurückgeben. Auch das Frankfurter Handelssystem wird eingestellt. Künftig wird ausschließlich nach unserem gehandelt“, erklärte LPX-Sprecher Thomas Pilgram. Das klingt nicht nach sächsischen Toten und Verletzten.
„Die neue EEX soll Kern des europäischen Stromhandels werden“, sagte EEX-Chef Schweickardt. Sein einstiger Widersacher, der LPX-Chef Carlhans Uhle sekundierte: „Künftig wollen wir 20 Prozent des Handels beim Spotmarkt gemeinsam abwickeln“. Die neue Harmonie. „Das ist ein Zusammenschluss unter Gleichen“, betonte Uhle. Was zumindest aus wirtschaftlicher Sicht nicht ganz stimmt: Als erste der beiden Börsen vor Jahresfrist gestartet, mauserte sich die LPX mit 77 Markteilnehmern zur größten Strombörse Kontinentaleuropas. Mit zuletzt knapp 400.000 gehandelten Megawattstunden pro Woche lag die LPX weit vor der EEX. „Das Leipziger Handelssystem ist einfach transparenter“, beschreibt Felix Matthes, Energieexperte beim Ökoinstitut den Vorteil der Sachsen. Praktisch funktioniert der Handel nach dem so genannten Spot-Prinzip: Stromerzeuger und -verbraucher geben heute ihre morgen produzierten oder benötigten Mengen ab. Aus Angebot und Nachfrage ergibt sich der Preis, der für die Teilnehmer Kriterium ist, ob ein Kraftwerk angeworfen, abgeschaltet, ob Strom zugekauft oder verkauft wird. Die Börse kassiert 10 Pfennig pro gehandelter Megawatt-Stunde. Bislang decken die Börsen etwa 7 Prozent des deutschen Strombedarfs ab.
Die neue Börsen-Gesellschaft soll zum Jahresanfang stehen. Auf ihren Dezembersitzungen müssen die Hauptversammlungen noch zustimmen. „Es wird kein Mitarbeiter mehr in Frankfurt bleiben“, betonte Carlhans Uhle. Sein Sprecher Pilgram sagte: „Bei uns ändert sich dagegen nichts. Wir rücken nur ein bisschen zusammen.“ Derzeit arbeiten in Leipzig 28 Mitarbeiter, zehn der zwei Dutzend Frankfurter werden dazukommen – und mit ihnen das Know-how des Terminhandels. Denn auf diesem Gebiet sind die Frankfurter viel weiter als die Leipziger.
Die Anteilseigner der Frankfurter EEX halten 50 Prozent an der neuen Gesellschaft. Die LPX-Eigner werden nur 42,5 Prozent halten – sich von den restlichen 7,5 Prozent trennen, kündigte Sachsen Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) gestern an. Sie sollen an kleine Energieunternehmen – etwa Stadtwerke – verkauft werden.
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