: Atom fürs Klima
UN-Konferenz: Industrieländer wollen AKWs im Süden als CO2-Bremser. Schlupflöcher im Bonner Kompromiss?
BERLIN taz ■ Bei der heute beginnenden siebten Weltklimakonferenz im marokkanischen Marrakesch droht offenbar ein neuer Versuch, den Teufel Klimaerwärmung mit dem Beelzebub Atomkraft auszutreiben. Schlupflöcher im Bonner Klimakompromiss sollen nach Ansicht einiger Staaten den Bau von neuen Atomkraftwerken in den Ländern des Südens unter dem Etikett des Klimaschutzes möglich machen.
Das renommierte Fachblatt „Nucleonics Weekly“ berichtet über die Position der Unterhändler aus Japan, Kanada, Australien und Russland: Zwar sei den Industriestaaten verwehrt, sich auf ihre Klimabilanzen den Neubau von Atomkraftwerken im Süden anrechnen zu lassen. Die Entwicklungsländer dagegen hindere nichts daran, neue AKW als CO2-„Senken“, also Reduktionsmaßnahmen, zu errichten. Diese „small and medium sized reactors“ (SMR) waren bereits Thema eines Seminars der internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Kairo im Mai. Ziel der IAEA ist es, in den Ländern des Südens mit diesen SMR auf mittelfristige Sicht mit dem Solarstrom konkurrenzfähig zu sein. Den Entwicklungsländern werden die SMR mit Blick auf die seit Jahrzehnten „zuverlässig“ laufenden Meiler in den Industriestaaten angeboten.
Davon aber kann keine Rede sein. Denn nach wie vor besteht bei diesen Reaktoren etwa das Problem des „Containment-Bypass“: Meterdicke Betondecken nützen wenig, wenn der gewaltige Wasserdruck im Reaktor die Absperrarmaturen der Anschlussleitungen mitsamt der Reservearmaturen durchbricht. Bei älteren AKWs etwa in Belgien, Holland, Spanien und der Schweiz sind die externen Notkühl-Wassertanks potenzielle Austrittswege für das Reaktorwasser. In einem solchen Fall würde die Umwelt belastet. Gleichzeitig würde das bei einem Zwischenfall möglicherweise dringend benötigte Kühlmittel im Reaktor zum Kühlen fehlen. Lothar Hahn von der Reaktorsicherheitskommission des Bundes (RSK) ergänzt, er habe bereits vor 20 Jahren gefordert, bei den Siedewassereaktoren drei statt nur zwei Armaturen je Leitung einzuführen. „Aber geschehen ist bisher nichts“. Sollten die SMR für die Länder des Südens aber solche Sicherheitseinrichtungen verpasst bekommen, würde ihr Kostenvorteil etwa gegenüber der Solarenergie deutlich reduziert. FRANK PAULI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen