: US-Bomben verfehlen Ziele
Nach drei Wochen Krieg gegen Afghanistan häufen sich Meldungen über Tote in Wohngebieten und getroffene UN-Stützpunkte. Derweil formiert sich in Pakistan eine muslimische Unterstützertruppe
ISLAMABAD/WASHINGTON afp/ap/dpa ■ Nach dreiwöchigen US-Luftangriffen auf Afghanistan mit zahlreichen zivilen Opfern werden die radikalislamischen Taliban zunehmend von militanten Muslimen unterstützt. Am Wochenende machten sich Tausende Pakistaner zum „heiligen Krieg“ nach Afghanistan auf.
Bei US-Angriffen auf die afghanische Hauptstadt Kabul wurden in der Nacht zum Sonntag in einem Wohngebiet mindestens zehn Zivilisten getötet. In dem nördlichen Außenbezirk sahen Reporter von AP auch die Leichen von vier Kindern. Tags zuvor waren offenbar versehentlich drei Dörfer getroffen worden. Nach Angaben britischer Fernsehjournalisten feuerte ein US-Kampfflugzeug eine Rakete auf ein von der oppositionellen Nordallianz kontrolliertes Gebiet ab. Dabei sollen eine zehnköpfige Familie getötet und 20 Menschen verletzt worden sein.
In der Nacht zum Samstag hatten US-Kampfflugzeuge ihre bislang schwersten Angriffe auf die afghanische Hauptstadt Kabul geflogen. Das Pentagon räumte ein, am Freitag versehentlich Lagerhäuser des Roten Kreuzes und ein Kabuler Wohngebiet bombardiert zu haben.
Nach UN-Angaben ist das Zentrum für Minensuchhunde in Kabul getroffen worden. Beim Einschlag einer Bombe in das Gebäude seien zwei Hunde getötet und zwei Fahrzeuge zerstört worden, sagte eine UN-Sprecherin gestern in Islamabad.
Gestern bombardierten US-Kampfjets erstmals eine Taliban-Stellung nahe der tadschikischen Grenze. Bei Ai Chanun verläuft die Frontlinie zwischen den Taliban-Kämpfern und der Nordallianz. Auch der nördliche Knotenpunkt Masar-i-Scharif, die Taliban-Hochburg Kandahar und die Städte Herat und Dschalalabad wurden beschossen. Die Nachrichtenagentur AIP berichtete von mehreren Toten.
An der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan warteten gestern tausende schwer bewaffnete Pakistaner darauf, sich dem „heiligen Krieg“ der Taliban-Miliz gegen die USA anzuschließen. Die pakistanischen Grenzbehörden hinderten die Angehörigen paschtunischer Stämme jedoch am Grenzübertritt. Pakistanische Islamisten blockierten auch die so genannte Seidenstraße nach China. Die Demonstranten drohten damit, jedes Fahrzeug in die Luft zu sprengen, das den Grenzübergang passiere, berichteten die Behörden.
Taliban-Chef Mullah Omar drohte, seine Miliz habe noch nicht mit dem „wahren Krieg“ gegen die USA begonnen. Bei einer möglichen Bodenoffensive würden die US-Soldaten nicht „mit Blumen empfangen“, sondern „eine noch härtere Lektion erhalten als die Russen“, drohte Omar gegenüber der algerischen Tageszeitung El Youm.
Der von den Taliban hingerichtete Oppositionsführer Abdul Hak wurde nach Angaben seiner Anhänger im Dorf seiner Familie bei Dschalalabad beerdigt. Ein Pentagon-Sprecher sagte, wenn die Nachricht vom Tode Haks stimme, sei dies ein Verlust für alle, die an die Bildung eines breiten Regierungsbündnisses in Afghanistan glaubten.
Pakistans Militärmachthaber Pervez Muscharraf warnte, der Krieg in Afghanistan könne sich für die USA und ihre Verbündeten als bodenloser Sumpf erweisen. Nahezu drei Wochen unablässiger Luftangriffe hätten es nicht vermocht, die Herrschaft der Taliban zu erschüttern, sagte Muscharraf dem US-Sender ABC. US-Präsident George W. Bush erwog nach Angaben eines Sprechers unterdessen, die finanziellen Hilfen für seinen Verbündeten Pakistan weiter aufzustocken. Die USA hatten Islamabad bereits mit 100 Millionen Dollar unter die Arme gegriffen.
Die USA haben ihre Kriegsziele noch lange nicht erreicht. Das Pentagon sei zwar „zufrieden mit dem Verlauf des Feldzugs“, sagte Konteradmiral John Stufflebeem. Doch die Militäroperation „Dauerhafte Freiheit“ sei „die schwierigste Aufgabe, die sich uns seit dem Zweiten Weltkrieg gestellt hat“. US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz wies Kritik am Einsatz von Streubomben in Afghanistan zurück. Die USA befänden sich im Krieg und würden alle Waffen einsetzen, um diesen Krieg zu gewinnen, sagte Wolfowitz dem Sunday Telegraph. Streubomben bestehen aus mehreren Sprengsätzen, die großflächig Splitter verteilen. Teilweise detonieren sie nicht sofort, was sie besonders tückisch macht.
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