: Bomben ohne diplomatisches Ziel
Die Taliban lassen sich nicht aus den Städten bomben. Umso stärker wird jetzt die Nordallianz unterstützt – eine Hypothek auf die Zukunft des Landes
BERLIN taz ■ In ihrem Krieg gegen die afghanischen Taliban haben die USA jetzt jede Rücksichtnahme auf die politischen Konsequenzen ihrer Kriegsführung für die politische Zukunft Afghanistans aufgegeben. Mit heftigen Bombardierungen, auch unter Einsatz von Flächenbombardements durch B-52-Bomber, geht die US-Luftwaffe jetzt gegen die Stellungen der Taliban an der Front zu den Truppen der oppositionellen Nordallianz vor. Ziel ist es offenbar, die Nordallianz jetzt schnell in die Lage zu versetzen, die Stadt Masar-i Scharif zu erobern – eine strategisch wichtige Stadt, die den US-Truppen dann auch als Brückenkopf nach Afghanistan dienen könnte.
Seit Wochen hatten sich die Führer der Nordallianz beklagt, für ihre Offensive gegen die Taliban zu wenig Unterstützung von Seiten der USA zu erhalten. Mit Rücksicht auf die politischen Versuche, eine multiethnische Zusammensetzung einer künftigen afghanischen Regierung zusammenzuschmieden, hatten die USA davor jedoch zurückgeschreckt – in der Nordallianz sind die Paschtunen, die größte afghanische Volksgruppe, der auch die Taliban angehören, nicht vertreten. Angesichts der Misserfolge des fast vierwöchigen Bombardements ist diese Rücksicht nun gefallen.
Dass die bisherigen Bombardierungen nicht zu den gewünschten Erfolgen geführt haben, mag vor allem an zwei Faktoren liegen: Einerseits ist es nicht gelungen, die Taliban schnell zur Aufgabe der Städte und zur Flucht in die Berge zu bringen. Die Strategie, die das Pentagon und das US-Außenministerium zu Beginn der Luftschläge verkündet hatte, lief darauf hinaus, die Taliban durch gezielte Angriffe auf ihre Infrastruktur und militärischen Einrichtungen in die Bergregionen zu vertreiben, wo sie sich zunächst sicherer fühlen sollten. Gleichzeitig hoffte man, durch die Bombenangriffe das System destabilisieren zu können, die Taliban selbst zu spalten und neben der Nordallianz auch im Süden nennenswerte Oppositionsbewegungen entstehen zu lassen. Nichts von dem ist eingetreten. Statt die Städte zu verlassen, setzen die Taliban gerade darauf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu suchen und die USA zu immer mehr „Kollateralschäden“, also Angriffen auf zivile Ziele zu bringen. Gleichzeitig lassen die Taliban immer mehr ausländische Fernsehteams ins Land – sie wissen um die Wirkung der Bilder von toten und verletzten Zivilisten auf die öffentliche Meinung im Westen.
Zudem scheint die militärische Kraft der Taliban kaum geschwächt. So schien es schon fast resignierend, als Konteradmiral John Stufflebeem auf der Pressekonferenz des Pentagon am Mittwoch versichterte, 25 Tage Luftangriffe hätten die Kommunikation der Taliban stark beeinträchtigt. „Mullah Omar ist noch immer der Führer und Kommandeur. Sie versuchen noch immer, mit Mullah Omar in Kontakt zu treten. Sie versuchen auch, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Und sie haben bei alledem Schwierigkeiten.“
Aber auch die beabsichtigte politische Wirkung ist nicht eingetreten. US-Meldungen aus den ersten Tagen nach den Bombenangriffen, ganze Einheiten der Taliban wollten zur Nordallianz wechseln, und verschiedene Talibanpolitiker seien zum Überlaufen bereit, entpuppen sich als Wunschdenken und Propaganda. Die Verhaftung und Hinrichtung des ehemaligen Mudschaheddinführers Abdul Haq, der in Absprache mit den USA heimlich nach Afghanistan zurückgekehrt war, um eine weitere Front aufzubauen, dokumentierte den völligen Fehlschlag.
Weil also unklar ist, was politisch überhaupt zu erreichen ist, setzt man jetzt auf das, was militärisch erreichbar scheint: die Unterstützung der Nordallianz. Deren Führer bedanken sich: „Das ist sehr gut gelaufen, uns hat das gut gefallen“, kommentierte Qudratullah Umar, einer der Generäle der Nordallianz, die heftigen Bombenangriffe der USA vom Mittwoch gegenüber der Washington Post. „Wir stehen bereit, auf Masar-i Scharif vorzurücken, wir warten nur darauf, dass uns die USA sagen, wann wir losgehen sollen“, sagte er weiter. BERND PICKERT
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