: Sicherheitsvorsprung durch Technik?
Biometrische Personenkontrollen sind Datenschützern ein Dorn im Auge, international aber längst im Einsatz
BERLIN taz ■ Biometrische Personenerkennung heißt derzeit die Zauberlösung, auf die nicht nur Innenminister Schily setzt. Entwickelt und in Gebrauch, unter anderem auch bei verschiedenen nationalen Polizeibehörden, ist derzeit schon eine Vielzahl von biometrischen Systemen. Generell können alle von außen zu erkennenden persönlichen Merkmale wie Stimme, Aussehen oder Verhalten zur computergestützten Identifikation genutzt werden.
Am weitesten entwickelt und derzeit auch schon im Handel sind Identifikationssysteme, die auf einem Abgleich von Fingerabdrücken, der Gesichtsform, der Handgeometrie oder der Iris basieren. Bisher wurden die Systeme vorwiegend von Unternehmen genutzt, um Mitarbeitern den Zugang zum Firmengelände zu ermöglichen oder sensible Sicherheitsbereiche vor unerwünschten Besuchern zu schützen. Zunehmend werden die Identifikationssysteme jetzt aber auch zur Personenkontrolle an Grenzen oder von Polizeidiensten eingesetzt.
Scanner am Flughafen
So sind am Amsterdamer Flughafen Shiphol neuerdings Iris-Scanner zur Überprüfung der Fluggäste installiert. Das System vergleicht die Iris des Reisenden mit den Informationen einer Chipkarte, die der Fluggast zuvor für rund 90 Mark erwerben konnte und mit sich führen muss. Mit der Chipkarte kann die zeitaufwändige Passkontrolle beim Einchecken umgangen werden. In den Niederlanden ist geplant, dass künftig auch Ausweise mit dem Iris-Scan ausgestattet werden.
Japan ist da schon ein Schritt weiter. Dort sind bei der Polizei bereits 500 Scanner zur Überprüfung der Fingerabdrücke im Einsatz. Bei Personenkontrollen können die Beamten auf die nationale Fingerabdruckdatei zugreifen. In Israel werden derzeit täglich 120.000 ein- und ausreisende Arbeitskräfte testhalber anhand ihrer biometrischen Daten überprüft. Innerhalb weniger Sekunden werden die über einen Scanner erfassten Daten der Hand und des Gesichts mit den gespeicherten Informationen einer Chipkarte verglichen.
Chipkarten zur Identifikation erhalten demnächst auch die rund vier Millionen Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums. Rund drei US-Dollar kostet eine Karte, mit der die Fingerabdrücke überprüft werden können.
Ein Nachteil bei der automatisch ablaufenden biometrischen Zugangskontrolle via Fingerabdruck ist, dass das System noch relativ leicht ausgetrickst werden kann: Mit einem aus dünner Folie gefertigten „gestohlenen“ Fingerabdruck können sich auch nicht autorisierte Personen den Zugang ermogeln. Bei einer von einem Polizisten durchgeführten Personenkontrolle würde dieser Schwindel jedoch auffliegen.
Automatische Fahndung
Am besten geeignet für die Suche nach bereits bekannten Personen sind aber immer noch die Gesichtserkennungssysteme.Verdrahtet mit den immer zahlreicher werdenden Videokameras zur Überwachung von Fußgängerpassagen, Flughäfen oder anderen öffentlichen Plätzen ermöglichen sie eine automatisierte Fahndung. Erste Probeläufe eines derartigen Systems konnten Anfang des Jahres in einem voll besetzten Footballstadium in Tampa im US-Bundesstaat Florida erfolgreich abgeschlossen werden. Aus den 75.000 videoüberwachten Zuschauern filterte die Fahndungssoftware durch Abgleich mit der Verbrecherkartei 19 Kleinkriminelle heraus. Mittlerweile werden in Tampa über 30 Überwachungskameras zur Verbrechersuche genutzt. Dieses System ist aber auch geeignet, heimlich umfassende Bewegungsabläufe von nicht zur Fahndung ausgeschriebenen Personen zu erstellen.
Befürchtet wird auch, dass die jetzt beschlossene Regelung, biometrische Daten in den Pass mit aufzunehmen, weiterführende Regelungen nach sich ziehen wird. Erinnert sei nur an die lauten Rufe nach Registrierung des genetischen Fingerprints. Spätestens nach dem nächsten spektakulären Verbrechen werden diese Forderungen wieder laut. Auch dann wird es heißen, Charakter, genetische Krankheiten oder andere Merkmale können aus dem genetischen Fingerprint nicht abgeleitet werden. Es gehe nur um die Täteridentifikation. Und unbescholtene Bürger hätten schließlich nichts zu verheimlichen. WOLFGANG LÖHR
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