piwik no script img

„Eigene Meinung nicht zugelassen“

Eberhard Schönberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei, kritisiert die Gängelung von Polizisten durch Vorgesetzte. Dennoch bedauert er den Streit mit der Polizeiführung. Das größte Problem der Behörde seien geplante Kürzungen

taz: Herr Schönberg, in einem Artikel in der „Zeit“ haben Sie geschrieben, Polizisten würden von Vorgesetzten gegängelt und schikaniert. Was meinen Sie damit genau?

Eberhard Schönberg: Unter den hunderten von Rechtsfällen, die die GdP pro Jahr bearbeitet, sind zahlreiche Fälle, wo Kollegen wegen Vorfällen diszipliniert wurden, die draußen keiner nachvollziehen kann. Das fängt damit an, dass man seine Meinung nicht sagen darf, schon gar nicht, wenn es der Polizeimeinung widerspricht, und es hört bei der Kleiderordnung auf. Kollegen, die es gewagt haben, das Berliner Modell zu kritisieren, haben zu hören bekommen: Wenn du das hier kritisierst, hast du deinen Enddienstgrad erreicht. Ohne Polizeimütze aus dem Funkwagen auszusteigen und mit blankem Kopf zehn Meter bis zur Dienststelle zu gehen, wird dienstrechtlich genauso verfolgt, wie wenn ein Polizist einen Pferdeschwanz hat. Gespräche mit Journalisten werden nicht zugelassen. Ich möchte aber betonen: Das ist nicht in allen Dienststellen so. Es gibt viele Vorgesetzte, die versuchen einen kooperativen Führungsstil hinzukriegen. Aber es gibt auch genau das Gegenteil.

Es heißt, Ihr Artikel sei auch in der GdP umstritten.

In einer Organisation mit hunderten von Funktionären gibt es natürlich unterschiedliche Meiungen. Wir nehmen sachliche Kritik immer ernst und diskutieren im Rahmen unserer innergewerkschaftlichen demokratischen Entscheidungsprozesse.

Sie sagen, der in dem Artikel verwandte Ausdruck „Ansammlung von unifomierten Duckmäusern“ stamme nicht von Ihnen. Warum haben Sie nicht auf einer Gegendarstellung bestanden?

Solange ich Vorsitzender der GdP bin, haben wir in der sehr reichhaltigen Zusammenarbeit mit der Presse noch nie eine Gegendarstellung veranlasst. Eine Gegendarstellung beweist nämlich überhaupt nichts, weil sie unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt abgedruckt werden muss. Ich kann aber nachweisen, dass der Satz in meinem Manuskript nicht enthalten war. Das hilft in der jetzigen Situation aber auch nicht weiter.

Wie soll es nun weitergehen?

Wir stehen vor den wahrscheinlich schrecklichsten Koalitionsverhandlungen, die es für die Berliner Polizei je gegeben hat. Alle Bundesländer geben zusätzliche Gelder für die Polizei frei. In Berlin sollen zusätzliche Stellen gestrichen werden. Wir haben wirklich wichtigere Probleme, deshalb bedauere ich den Streit mit Teilen des höheren Dienstes sehr. Allerdings ist die Zustimmung zum Inhalt des Artikels bei der polizeilichen Basis ausgesprochen groß.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen