: Ade, Charité?
SPD will Traditionsklinik den Uni-Status entziehen. Zwei Drittel aller Medizin-Studienplätze könnten wegfallen
Das Universitätsklinikum Charité ist möglicherweise in seiner Existenz bedroht. Die SPD wolle das Haus mit den traditionsreichen Namen als Unikrankenhaus aufgeben und nur noch das Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) in Steglitz erhalten, berichtete gestern die Berliner Zeitung mit Bezug auf nicht näher benannte SPD-Parteikreise. Besonders der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) dränge angesichts des Milliardendefizits auf Strukturveränderungen und eine deutliche Kostenreduzierung im Bereich Hochschulmedizin, so das Blatt weiter.
Die SPD wollte sich gestern zu diesen Plänen nicht äußern. „Wir kommentieren einzelne Aspekte vor den Koalitionsverhandlungen nicht“, sagte Parteisprecherin Anja Sprogies. Allein der Wissenschaftsexperte der SPD-Fraktion war zu einer Auskunft bereit. Das Ganze sei eine „Luftnummer“, sagte Peter Schuster. Die SPD-Fraktion stehe hinter dem bisherigen Fahrplan in Sachen Hochschulmedizin. Der wurde erst im Juli mit den Hochschulverträgen verabschiedet und sieht vor, dass die beiden Unikliniken bis 2005 145 Millionen Mark einsparen sollen. Den größten Anteil daran soll die Charité erbringen. Zudem soll eine unabhängige Expertenkommission über Struktur und Einsparpotenziale der Kliniken beraten.
Der Koordinator in der Wissenschaftsverwaltung, Bernd Köppl (Grüne), sprach gestern schlicht von „Unsinn“: „Sollte Wowereit das wirklich durchsetzen wollen, haben wir in den Koalitionsverhandlungen ein ernsthaftes Problem.“ Auch PDS und CDU äußerten sich kritisch.
An der Charité, die seit 1997 aus dem alten Standort in Mitte und dem Virchow-Klinikum im Wedding besteht, sind rund zwei Drittel der insgesamt 600 Medizin-Studienplätze in Berlin angesiedelt. Nach Ansicht des Wissenschaftsrats hat die Charité die bessere wissenschaftliche Reputation der beiden Unikliniken. Sie wirbt jedes Jahr 130 Millionen Mark an Drittmitteln ein.
Für die Modernisierung der Charité haben Bund und Berlin in den vergangenen Jahren insgesamt 800 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Knapp 500 Millionen davon sind schon verbaut, 300 Millionen noch offen – und damit potenzielle Sparmasse. Verliert die Charité allerdings ihren universitären Status, könnte der Bund seinen Anteil zurückfordern. SABINE AM ORDE
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