piwik no script img

Ende der Schonzeit für Hizballah

Die libanesische „Partei Gottes“ steht jetzt auf der Terrorliste der USA. Das stößt auf Unverständnis. Auch die Regierung in Beirut betrachtet die Organisation als legitime Widerstandsbewegung gegen die israelische Besatzung im Süden des Landes

aus Beirut BERNHARD HILLENKAMP

Erst besuchte der kanadische Außenminister Syrien und den Libanon. Er brachte schlechte Nachrichten für die „Partei Gottes“, Hizballah. „Jegliche Unterstützung für Hizballah und die palästinensischen Gruppen soll eingestellt werden“, so Außenminister John Manley Ende Oktober. Dann machte es am vergangenen Freitag der amerikanische Botschafter Battle in Beirut offiziell: „Die libanesische Hizballah und die palästinesischen Gruppen al-Dschihad al-islami und Hamas sind terroristische Organisationen und auf der amerikanischen Terror-Liste“, so Battle bei einer Aussprache mit dem libanesischen Außenminister.

Dieser diplomatische Schritt der USA trifft im Libanon auf Unverständnis. Seit dem 11. September spricht jeder libanesische Politiker von der Notwendigkeit, zwischen Terror und legitimem Widerstand gegen die Besetzung zu unterscheiden. Zuletzt hatte der bewaffnete Zweig der Hizballah israelische Militärstellungen in den so genannten Sheba-Farmen angegriffen. Seinerzeit warb man noch um die arabische und „islamische“ Beteiligung an der amerikanischen Allianz gegen Bin Laden. Doch nun ist die Schonzeit für Hizballah zu Ende.

Die Partei hat in den letzten 18 Jahren ein Netz von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Sozial- und Forschungsinstitutionen sowie Medien aufgebaut, aber auch eine, so die Eigenbezeichnung, „islamischen Résistance“. Soziale Infrastruktur unabhängig vom schwachen libanesischen Staat, vor allem für die eigene konfessionelle Gemeinschaft, sind typisch für alle 17 Religionsgruppen im Libanon. Trotz dieses Konfessionalismus kann die Partei sich im Libanon auf einen nationalen Konsens berufen: Der Hizballah – so die Mehrzahl der Libanesen – ist es zu verdanken, dass Israel sich am 24. Mai vergangenen Jahres aus dem Südlibanon zurückzog. Immer noch, so der nationale Konsens und die gebetsmühlenartigen Statements libanesischer Politiker, ist ein kleiner Teil des Libanons besetzt: die 220 Quadratkilometer umfassenden Sheba-Farmen. Die bewaffneten Aktionen gegen Israel sind also ein legitimes Mittel zur Befreiung besetzten Gebietes. Nur mit Waffengewalt ist Israel zum Rückzug zu bewegen, das hat die Geschichte gezeigt, so die landläufige Meinung.

Entsprechend kündigte der libanesische Finanzminister Fuad Saniora gestern an, dass die Regierung nicht, wie von den USA gefordert, die Konten der Hizballah einfrieren werde. Libanon betrachte Hizballah als eine Widerstandsbewegung und nicht als terroristische Gruppe, sagte Saniora.

Im Anschluss an den 11. September war es erst ruhig um die Hizballah geworden. Am 16. September verurteilte die Partei dann die Anschläge in New York und Washington als „terroristisch“, beklagte aber „alle zivilen Opfer in kriegerischen Auseinandersetzungen“. Dann ging die Erklärung dazu über, das Vorgehen Israels als „terroristisch“ zu verurteilen. Es ist jedoch nicht die Altlast des Bürgerkriegs, sondern, so Kommentatoren in der Region, die Haltung von Hizballah zum arabisch-israelischen „Friedensprozess“, die die zweite Phase der amerikanischen Anti-Terror-Kampagne stört.

Syrien hat seit Ende des Bürgerkrieges gemeinsam mit dem Iran die militärischen Aktionen gegen Israel wohlwollend unterstützt. Alle Milizen der 15-jährigen Auseinandersetzungen wurden im Zuge des Friedensabkommens von Taef (1991) entwaffnet, nur der Hizballah wurde zugestanden, den militärischen Widerstand gegen die israelische Besetzung fortzuführen. Nach der zweiten großen israelischen Militäraktion gegen Libanon 1996 wurde zur Begrenzung des militärischen Konflikts eine internationale Kommission eingerichtet. Dies wurde als eine Anerkennung des libanesischen Rechts auf militärischen Widerstand gegen die Besetzung angesehen.

Nach dem israelischen Rückzug aus dem Südlibanon ist die Rolle des militärischen Widerstands auf die Sheba-Farmen begrenzt. Dennoch ist Hizballah nicht zu Kompromissen bereit. Selbst das amerikanische Angebot, für eine Kooperation gegen Bin Laden, Taliban und andere islamistische Organisationen sowie der Einstellung militärischer Aktionen gegen Israel die libanesische Organisation politisch zu rehabilitieren und von der Liste der terroristischen Organisationen zu streichen, wurde, so die arabische Zeitung al-Hayat, abgelehnt.

Mit der Erweiterung ihrer Terror-Liste nehmen die USA auch die „Störenfriede“ für eine politische Lösung des arabischen-israelischen Konflikt ins Visier. Die palästinensischen Organisationen Hamas und al-Dschihad al-islami sowie die libanesische Hizballah sind erklärte Gegner der amerikanischen Bemühungen um eine politische Lösung im Nahen Osten. Das militärische Vorgehen der Hizballah, die Anschläge der palästinensischen Gruppen, aber auch der Medienkrieg der Hizballah gegen Israel und die logistische Unterstützung für die palästinensische Opposition stören diese Bemühung.

Auch wenn die Regierung in Washington einen palästinensischen Staat in Aussicht gestellt hat, die Akzeptanz der amerikanischen Politik leidet unter den jüngsten Entwicklungen weiter. Ihre Parteilichkeit tritt aus arabischer Sicht offen zu Tage. Der Herausgeber und Kolumnist der linksgerichteten und syrien-freundlichen Zeitung as-Safir gab einen Kommentar zu dem amerikanischen Vorgehen gegen die Hizballah mit dem Titel „Amerikanischer Krieg mit israelischen Gesichtszügen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen