: Grund zum Weggehen
Senator a.D. Mirow übergibt erste Teilfläche für Airbus im Mühlenberger Loch. Nur noch halb so viele Löffelenten ■ Von Gernot Knödler
Die ersten elf von 675 Hektar Mühlenberger Loch sind soweit zugeschüttet, dass man darauf mit Jeeps herumfahren und Übergabe-Zeremonien veranstalten kann. Eine solche durfte Ex-Wirtschaftssenator Thomas Mirow gestern sozusagen als Bonus-Amtshandlung ausführen. Der SPD-Politiker hatte das Projekt zusammen mit seinem Staatsrat Heinz Giszas entscheidend vorangetrieben, wofür er bei der Feier einhelliges Lob erntete. Unterdessen haben Vogelkundler erste Auswirkungen der Airbus-Werkserweiterung festgestellt. Viele Arten sind im Mühlenberger Loch selten geworden – sie hatten Grund zum Weggehen.
Den Vögeln fehlt das Schlickwatt im Ostteil der Elbbucht. Dort ist die künftige, insgesamt 140 Hektar große Erweiterungsfläche für die Flugzeugfabrik in Finkenwerder inzwischen mit einem 4,50 hohen Damm umgeben. Dieser soll bis zum Jahresende auf sechs Meter wachsen und schließlich zu einem bis zu 8,50 Meter hohen Deich ausgebaut werden. An der Nordostecke der umschlossenen Fläche, hinter dem bisherigen Leitdamm, liegt das jetzt fertig gestellte Stück. Am 7. Dezember will Airbus dort den Grundstein für eine Halle legen, in der Rumpfsektionen montiert und ausgerüstet werden.
Durch das Eindeichen der Werksfläche ist der Bestand an Löffelenten in Hamburg um die Hälfte zurückgegangen. Wie die Zählungen der Ornithologen Alexander Mitschke und Jörg Wittenberg ergeben haben, sind dabei 200 Exemplare vom Mühlenberger Loch in die ebenfalls tidebeeinflusste Billwerder Bucht ausgewichen. Die Löffelente ist für die Nahrungssuche auf eine über weite Strecken wandernde Watt-Wasser-Kante angewiesen, die durch das Zuschütten verschwunden ist.
Bei der Krickente, die zusammen mit der Löffelente für den hohen internationalen Schutzstatus des Mühlenberger Lochs verantwortlich ist, sieht es besser aus: Ihr Bestand hat sich kaum verändert. Allerdings ist die Vogelart nach Westen abgedrängt worden, wo das Nahrungsangebot schlechter ist. Gleiches gilt für die Brandgans, eine für das Mühlenberger Loch charakteristische Art.
Rotschenkel und Uferschnepfen wurden den Vogelkundlern zufolge weitgehend aus der Elbbucht verdrängt. Sie hatten mit ihren langen Schnäbeln im Schlickwatt der jetzt abgedämmten Fläche gestochert. „Zumindest für die Uferschnepfe dürfte das mit dem Erlöschen der letzten Brutvorkommen im Hamburger Westen verbunden sein“, befürchten Nabu und der Internationale Tierschutzfonds (ifaw). Kampfläufer, Dunkle Wasserläufer, Grünschenkel und andere durchziehende Arten fehlten während des Heimzuges im Frühjahr fast komplett.
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