DER KLIMAGIPFEL IST KEINE REINE ÖKOVERANSTALTUNG: Mehr Sicherheit durch Klimaschutz
Viel spricht dafür, dass auf dem nunmehr siebten Klimagipfel in Marrakesch bis Samstag alle verbliebenen Details geklärt werden können. Die EU wird das dann zu Recht als Triumph feiern. Dieser Erfolg wird ihr noch Probleme bereiten.
Obwohl die meisten Hürden bereits im Vorfeld aus dem Weg geräumt waren, lassen Russland, Japan, Australien und Kanada wieder keine Gelegenheit aus, neue Erleichterungen zu verlangen. Zwar sind die übrigen 160 Länder nicht gewillt, sich das gefallen zu lassen. Doch wird deutlich, dass selbst das fertige Protokoll kein Selbstläufer sein wird. Zwar verzichten die USA in Marrakesch auf große Störmanöver. Das liegt vor allem daran, dass sie momentan andere Sorgen haben. Die Hoffnung, Präsident Bush könnte seine Haltung zum Kioto-Protokoll nach dem 11. September ändern, hat sich nicht erfüllt. Wie auch, wenn die „uneingeschränkte Solidarität“ Europas in einer Vasallentreue mündet. Aus Dankbarkeit wird Bush seine Klimapolitik wohl kaum revidieren.
Wenn aber der größte Klimaschädling, die USA, nicht mitzieht, wenn auch Länder wie Australien und Kanada das Kioto-Protokoll nicht ratifizieren, dann kommt es auf das Vorbild Europa an. Nur wenn es beherzt vorangeht, hat das Protokoll eine Chance. Doch selbst die EU ist noch weit von ihren Kioto-Zielen entfernt, wie nun das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung feststellen musste. Auch die Hoffnung vieler Umweltschützer auf steigende Ölpreise erfüllt sich nicht. Dafür wird in naher Zukunft zu viel Öl verfügbar sein. Sogar ein gut abgestimmtes Kartell wie die Opec kann den Preis nur in Maßen kontrollieren.
Trotzdem könnte aus der neuen Weltlage nach dem 11. September ein Schub für den Klimaschutz entstehen. Deutlich wird, wie unsicher die Region ist, von deren Öl wir uns abhängig gemacht haben. Und wie hoch der politische und neuerdings militärische Preis ist. Energie sparen, Windräder, Wasserkraft und Solarzellen machen uns unabhängiger. Eine solche dezentrale Energieversorgung ist zudem unanfälliger gegen Terror. Weil Klimaschutz in alle Politikbereiche eingreift, ist es umso nötiger, auch Argumente jenseits der Umwelt zu haben. Sicherheit ist eines. MATTHIAS URBACH
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