: Knesset straft politische Aussagen
Das Parlament in Jerusalem hebt die Immunität des arabischen Israeli Asmi Bishara auf. Nun droht ihm ein Prozess
JERUSALEM taz ■ Zum ersten Mal in der Geschichte des israelischen Parlaments haben gestern die Abgeordneten aufgrund von politischen Äußerungen für die Aufhebung der Immunität eines ihrer Kollegen gestimmt. Asmi Bishara ist der Vorsitzende der arabisch-israelischen Partei Balad. Im vergangenen Juni hatte er auf einer Konferenz in Syrien zum Widerstand gegen Israel aufgerufen. Die Abstimmung folgte einer polizeilichen Empfehlung sowie der entsprechenden Zustimmung von Oberstaatsanwalt Eliakim Rubinstein, den Abgeordneten vor Gericht zu bringen. Bishara wird sich vermutlich in Kürze in zwei Anklagepunkten vor dem Obersten Gerichtshof verantworten müssen: die nicht genehmigte Ausreise in ein feindliches Land sowie das Nichtverhindern von Terror.
Bereits im Vorfeld der Knesset-Abstimmung hatte Bishara angekündigt, „Zeugen von der französischen Résistance“ beizubringen, die den Begriff „Widerstand“ klären sollen. Schon jetzt ist abzusehen, dass Bishara den Prozess nicht stillschweigend über sich ergehen lassen wird.
Die Entscheidung der Knesset ist ein Präzedenzfall. Bislang wurde die Immunität von Abgeordneten aufgehoben, wenn der Verdacht einer Straftat bestand, wie etwa Korruption, sexuelle Belästigung oder ein Verstoß gegen das Devisengesetz. Es liege kein klarer Rechtsfall vor, meinte Bishara und beschuldigte den Oberstaatsanwalt, er habe sich „nicht verkneifen können, seine politische Meinung zum Ausdruck zu bringen“. In einem Interview mit der Tageszeitung Ha’aretz äußerte er den Verdacht, dass Rubinstein, der früher dem Likud angehörte, „sich politisch an mir rächen will“.
Bishara war im vergangenen Juni mit einer Gruppe von Palästinensern mit israelischer Staatsangehörigkeit nach Syrien gereist, um im Rahmen einer Gedenkfeier zum ersten Jahrestag nach dem Tod des syrischen Präsidenten Hafis al-Assad eine Ansprache zu halten. Besonderer Anstoß für den Staatsanwalt gab das Zitat: „Es gibt keinen anderen Weg der Fortsetzung (. . .) des Widerstands als die erneuerte Ausweitung dieses Bereichs, damit das Volk in der Lage ist zu kämpfen.“ Mit der „Ausweitung des Bereichs“, so interpretiert Ha’aretz und beruft sich auf ein syrisch-libanesisches Lexikon seien „Guerillaaktionen gegen Israel“ gemeint. Bishara selbst hingegen kontert, dass seine Rede rein „theoretisch“ gemeint war. „Wenn du nicht in der Lage bist, in den Krieg zu ziehen, oder dies nicht willst, aber gleichzeitig gegen die politischen Gewalten vorgehen willst, ist deine einzige Alternative der Widerstand.“
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