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Nicht gerade das beste Rezept

Das Eventmovie „Der Tanz mit dem Teufel“ über die Oetker-Entführung ist ein mattes Psychodrama, garniert mit einer deplatzierten Liebelei. Sat.1 scheitert an dem Versuch, Anspruch zu liefern und Quote zu bringen (So./Mo., 20.15 Uhr, Sat.1)

von CHRISTIAN BUSS

Schreinemakers war wie immer empört. 1993 empfing die für Ungerechtigkeiten aller Art zuständige Sat.1-Talkerin einen Gast, der behauptete, fast anderthalb Jahrzehnte unschuldig hinter Gittern gesessen zu haben. Der Mann hieß Dieter Zlof und war aufgrund eines Indizienprozesses für schuldig befunden worden, im Dezember 1976 den Industriellensohn Richard Oetker entführt zu haben. Zlof beteuerte bei Schreinemakers seine Unschuld und beklagte sein zerstörtes Leben. Erst 1997, als in London ein Teil der 21-Millionen-Mark-Beute sichergestellt werden konnte, gestand er die Tat. Da schlief Schreinemakers allerdings schon den Schlaf der Quotentoten; ihre inzwischen für RTL produzierte Sendung stand kurz vor dem Aus.

In „Der Tanz mit dem Teufel“, der fiktionalen Verdichtung des Falles Oetker bei Sat.1, wird noch einmal der Auftritt des Entführers bei der einstigen Spektakeltalkerin aufgegriffen. Das kann einerseits lobend als aufklärerischer Akt verbucht werden. Andererseits wird mit der Schreinemakers-Sequenz die einst quotenträchtige Rampensau noch mal geschlachtet – prekärerweise in einem Fernsehspielformat, das nicht in dem Ruf steht, überzeugend Quote zu machen. Denn die so genannten Eventmovies, mit denen Sat.1 zeitgeschichtliche Themen aufbereitet, sind für das Gros der Zuschauer bisher selten ein Ereignis gewesen. Das bizarre Starporträt „Wambo“ und der ausladende Justizthriller „Vera Brühne“ waren qualitativ überzeugend – und blieben weit hinter den angepeilten Zuschauerzahlen zurück: Zu unkonventionell waren die Dramen für die Sat.1-Primetime.

Mit „Der Tanz mit dem Teufel“ zeigen sich die Macher nun sichtlich bemüht, die Balance zu halten zwischen den Anforderungen eines Massenpublikums und dem Anspruch, Zeitgeschichte einer Neubewertung zu unterziehen. Produziert wurde das Kriminaldrama von Nico Hofmann, der auch schon für den Mauerschocker „Der Tunnel“ verantwortlich zeichnete – das einzige der diesjährigen „Eventmovies“, das die Quotenerwartung erfüllte. Die Chancen, dass „Der Tanz mit dem Teufel“ an diesen Erfolg anknüpft, sind allerdings schlecht. Zu halbherzig sind die Zugeständnisse, die hier an primetimekompatible Erzählweisen gemacht werden.

Der Film ist angelegt als Psychodrama zwischen drei Personen, deren Lebensläufe schicksalhaft miteinander verknüpft werden: dem Entführer, seinem Opfer und einem Bullen, der die Aufklärung des Verbrechens zur persönlichen Mission macht. Drei Männer, die einander drei Stunden beschnuppern und bekämpfen. Das allein schien den Verantwortlichen wohl doch ein bisschen düster, und um den romantischen Gelüsten der Zuschauer nachzukommen, muss sich der Ermittler Kufbach (Tobias Moretti) ziemlich abrupt in eine kesse Krankenschwester (Ann-Kathrin Kramer) verlieben. Doch leider bringt das überdrehte Tête-à-Tête des Beamten das sonst von emotionalem Überschwang befreite Drama ein bisschen aus dem Takt.

Genauso deplaziert, wie die Liebelei des Kriminalisten erscheint, vermisst man sehr auch eine familiäre Anbindung des Entführers. Dieter Cilov, wie der von Christoph Waltz gespielte Straftäter im Fernsehspiel heißt, ist ein Biedermann im Reihenhausbiotop. Doch obwohl die Polizei andauernd das Heim des Familienvaters durchsucht, sieht man im Film niemals Frau und Kinder. Diese gekünstelte Isolation kann man als Maßnahme deuten, den Übeltäter nicht allzu menschlich zu porträtieren – auch um dem Entführungsopfer Oetker, der dem Projekt beratend zur Seite stand, Respekt zu zollen. Statt Honorar zu kassieren, bat der Industrielle übrigens die Produzenten, der Opferorganisation Weißer Ring eine Spende zukommen zu lassen.

Der Versuch, der Perspektive des Opfers stärkeres Gewicht zu verleihen als in der Medienberichterstattung der Vergangenheit, erscheint ehrenwert. Allerdings wird auch diese Idee nur halbherzig ausgeführt. Auch im „Tanz mit dem Teufel“ bleibt der Entführer die schillerndste Person. Neid, Überheblichkeit und unverhohlener Sadismus – Waltz macht das Böse in der Spießerseele sichtbar. Viele seiner Auftritte wirken aber wie beschnitten, als wollte man diesem sauber gescheitelten Dämonen nicht zu viel Platz einräumen.

Statt dessen wird Richard Oetker (Sebastian Koch), der bei der Entführung schwere körperliche Schäden erlitten hat, während der zahlreichen schmerzhaften Operationen gezeigt, denen er sich in den letzten 25 Jahren unterziehen mußte. Die seelischen Defekte aber bleiben über weite Strecken diffus. Die Kamera hält nur immer wieder auf den humpelnden und stürzenden Oetker.

Die matten erzählerischen Konstruktionen können auch die überragenden Leistungen des Films nicht wettmachen. „Der Tanz mit dem Teufel“ ist superb fotografiert, und die kriminalistischen Techniken von damals werden exakt rekonstruiert.

Und eins macht während der ganzen langen drei Stunden Spaß: die perfekte Ausstattung mit dem diskreten Charme der Siebziger.

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