: Der Afrikanist stellt seine Lehre ein
Professor Kum‘a Ndumbe hält morgen sein letztes Seminar am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität. Denn der bundesweit einzigartige Dozent hat trotz zahlreicher Appelle keinen Lehrvertrag mehr erhalten
Morgen um 14 Uhr wird Kum‘a Ndumbe III. am Otto-Suhr-Institut ein Seminar halten. Sein Thema: „Beziehungen zwischen Europa und Afrika – zur Dialogfähigkeit der deutschen Wissenschaft mit Afrika und Afrikanern im Globalisierungsprozess.“ Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Doch es wird das letzte Seminar des Afrikanisten sein. Denn er bekommt trotz überfüllter Seminare von der Uni kein Geld mehr.
Der Professor aus Kamerun unterrichtet an der Freien Universität. Doch die Kassen sind leer, Afrika steht nicht im Strukturplan der Politikwissenschaftler. Dekan Eberhard Sandschneider sperrt sich gegen eine Aufnahme des Kontinents in den Strukturplan, der Hauptgeschäftsführer Professor Hajo Funke kämpft dafür. Die Studenten hat der Afrikaner selbstredend auf seiner Seite. Bisher vergebens. Ein klares Votum für Kum‘a Ndumbe gibt es nicht, der Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften leistet sich bei dem Thema einen permanenten Eiertanz.
Für das seit sechs Wochen laufende Semester hat Kum‘a Ndumbe weder Lehrvertrag noch Gehalt bekommen. Nun zieht er die Konsequenz und stellt seine Seminare ein. Die Leidtragenden sind die Studenten – und die Wissenschaft. Kein anderes deutsches politikwissenschaftliches Institut bietet Seminare zu Politik in Afrika an. Das Otto-Suhr-Institut der FU ist das größte politikwissenschaftliche Institut Europas – und die Wissenschaftler sparen sich einen ganzen Kontinent.
Seit 1990 lehrt Kum‘a Ndumbe mit kurzen Unterbrechungen am „OSI“. Während dieser Zeit hat er auch ein Programm entworfen, das Afrika zu einem Schwerpunkt des Instituts machen würde. Das Konzept wäre einmalig, Unterstützung bekommt der Afrikaner dafür auch von anderen Professoren. Sogar die Afrikabeauftragte des Bundeskanzlers, Uschi Eid, Staatssekretärin im Entwicklungsministerium, begrüßt das Programm als Hilfestellung für die vom Bund unterstützte „New African Initiative“ afrikanischer Staaten.
Am 21. November befasst sich noch einmal der Institutsrat mit dem Konzept. „Hier offenbart sich die Selbstwahrnehmung europäischer Politikwissenschaft“, sagt Kum‘a Ndumbe. „Die Wissenschaft ist immer noch auf Europa zentriert. Ansonsten würde man wohl kaum den gesamten afrikanischen Kontinent in der Lehre und Forschung aussparen wollen. Aber Globalisierung und auch Wissenschaft dürfen niemals eine Einbahnstraße sein!“
In Berlin hat Kum‘a Ndumbe schon viel Gegenwind zu spüren bekommen. Die Uni wollte ihm kein Büro zur Verfügung stellen – erst Studenten organisierten für ihren Prof den Umzug in ein (fast) leeren Raum. Doch die Verwaltung ließ die Büroausstattung des Professors kurzerhand per Umzugsfirma im Fahrradkeller einlagern, darunter auch Klausur-, Haus- und Diplomarbeiten von etwa hundert Studenten. Inzwischen hat Kum‘a Ndumbe von der Universität immerhin ein Büro bekommen.
Seine Studenten haben solche Geschichten im Internet unter www.africavenir.com dokumentiert – ursprünglich ein Forum für die wissenschaftliche Arbeit zu Afrika. Dort finden sich auch viele Briefe von Kum‘a Ndumbe, die seinen „Werdegang“ an der FU dokumentieren. Zweifelnd fragt er sich immer, ob er nicht aufgeben solle. „Nein, meine Studenten tragen mich durch ihr Engagement und ihren Eifer“, antwortet er sich selbst. „Sonst habe ich meine Studenten unterstützt, hier öffnen sie mir Türen.“ CONSTANTIN VOGT
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