: Gegen Rot-Grün
Zwei Tage nach dem Treffen mit dem Kanzler beklagen Schriftsteller und Künstler die Ökonomisierung der Gesellschaft als Weg in die Barbarei
BERLIN dpa ■ Mit deutlichen Worten haben rund 170 bekannte Autoren, Künstler, Kirchenvertreter, Gewerkschafter und SPD-Anhänger ihre Unzufriedenheit mit der rot-grünen Bundesregierung zum Ausdruck gebracht. „Wo die ökonomischen Erfolgskriterien des globalisierten Kapitalismus zu den Leitwerten der Gesellschaft werden, droht ein Totalitarismus neuer Art“, heißt es in der gestern in Berlin veröffentlichten Erklärung. Zu den Unterzeichnern zählen Günter Grass, der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes, Fred Breinersdorfer, Walter Jens, Friedrich Schorlemmer und Peter Rühmkorf.
Sie warnen in dem vom Grafiker Klaus Staeck und dem Publizisten Johano Strasser veröffentlichten Schreiben vor einem „Weg in die Barbarei“ durch eine „völlige Ökonomisierung“ der Gesellschaft. Zwei Tage nach dem Treffen von Kanzler Gerhard Schröder mit Schriftstellern und Intellektuellen, das vor allem dem offenen Meinungsaustausch über die Ereignisse nach den Terroranschlägen vom 11. September dienen sollte, ist das Thema also Privatisierung, Deregulierung, Senkung der Staatsquote und Sparhaushalt. „Wenn wir heute unsere damaligen Erwartungen mit der inzwischen fast dreijährigen Regierungspraxis der rot-grünen Koalition vergleichen, kommen wir ungeachtet eines hoffnungsvollen Starts und mancher erfreulicher Reformen zu dem Ergebnis, dass nur wenig von dem, was uns bewog, zur Wahl der SPD bzw. der Grünen aufzurufen, ernsthaft in Angriff genommen wurde“, klagen die Verfasser des offenen Briefes, der auch an den SPD-Generalsekretär und den Grünen-Vorstand gerichtet ist.
Die Bundesregierung setze den neoliberalen Modernisierungskonzepten keine eigenständige Alternative entgegen, das Profil von SPD wie Grünen sei „ausgesprochen unscharf“. Dagegen glauben die mit der „Aktion für mehr Demokratie“ verbundenen Unterzeichner, die Zeit sei reif für eine „an sozialen, ökologischen und friedenspolitischen Werten orientierte Bewegung“, die freilich „nicht auf den nationalen Kontext begrenzt bleiben“ dürfe. Unterschrieben haben auch die Autoren Felix Huby, Gert Heidenreich, Leonie Ossowski und Uwe Timm, der Kabarettist Peter Ensikat, der Verleger Gerhard Steidl, der Künstler Jochen Gerz und der Schauspieler Wolfgang Völz.
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