Taliban in Kundus umzingelt

Tausende Taliban haben sich in die nordafghanische Stadt Kundus zurückgezogen. Unklare Situation in Kandahar. UN-Sicherheitsrat beschließt „zentrale Rolle der UN“ bei politischer Nach-Taliban-Lösung

BERLIN taz ■ US-Flugzeuge haben gestern Kundus bombardiert. In der einzigen noch von den Taliban kontrollierten Stadt im Norden sind mehrere tausend ihrer Kämpfer von Truppen der Nordallianz eingeschlossen. Zuvor seien Verhandlungen über eine kampflose Übergabe gescheitert, berichtete die New York Times. Sajaf Baik, ein Kommandeur der Nordallianz, kündigte eine Offensive an. Die Taliban hätten städtische Vertreter, die eine Übergabe wollten, umgebracht.

Laut Nordallianz befinden sich in Kundus bis zu 20.000 Taliban. Darunter seien bis zu 4.000 Ausländer. Am Dienstag waren dort 1.000 Soldaten der Nordallianz in einen Hinterhalt geraten. Dabei starben 26 Soldaten, 32 wurden verletzt und 132 gefangen genommen.

US-Jets griffen gestern auch erneut die Taliban-Hochburg Kandahar im Südosten an. Dabei wurden nach US-Angaben mehrere Führer von al-Qaida getötet. Über die Kontrolle der Stadt gab es widersprüchliche Berichte. Taliban-Chef Mullah Mohammed Omar sagte der BBC, die Stadt sei unter Kontrolle seiner Miliz. Er wolle lieber sterben als an einer von der UN geforderten Übergangsregierung teilnehmen. Es gebe einen „großen Plan“ für die Vernichtung der USA, die bald erfolgen werde. Der paschtunische Clanführer und Vertraute des Exkönigs, Hamid Karsai, berichtete dagegen, Kämpfer verschiedener Stämme hätten die Außenbezirke der Stadt erreicht, in der Chaos herrsche. Nach Angaben pakistanischer Geheimdienstmitarbeiter, die von der New York Times zitiert wurden, sind seit Sonntag 3.000 Taliban-Kämpfer nach Pakistan gefohen, das inzwischen seine Grenztruppen verstärkte.

Die Nordallianz hat gestern Kommandeure der Paschtunen sowie Afghanen aus dem Ausland aufgefordert, nach Kabul zu kommen, um an den Beratungen über ein politisches Arrangement teilzunehmen. Bis eine neue Regierung gefunden sei, werde die Nordallianz keine eigene Übergangsregierung bilden. Vielmehr werde die Hauptstadt bis dahin von einem Militärrat regiert, sagte Nordallianz-Sprecher Mohammed Hebeel gegenüber Reuters.

Zuvor hatte sich der Weltsicherheitsrat auf eine „zentrale Rolle“ der UN beim politischen Aufbau Afghanistans festgelegt. In einer Resolution sagte er der Bevölkerung seine volle Unterstützung bei der Bildung einer breit angelegten Übergangsregierung aus Vertretern aller Volksgruppen zu. Voraussichtlich heute wird der stellvertretende UN-Sonderbeauftragte Francesc Vendrell in Kabul eintreffen, sagte UN-Generalsekretär Kofi Annan. Sein Sondergesandter Lakhdar Brahimi berät heute mit der Afghanistan-Unterstützergruppe in New York Hilfsmaßnahmen. SVEN HANSEN

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