: Gaga gegen Gockel
Hurra, der Drecksackwahlkampf kommt! Edmund Stoiber versus Gerhard Schröder
Es ist weiß Gott unerheblich, ob der Grünen-Parteitag am Samstag in Rostock doch noch vorzeitig die Berliner Regierungskoalition sprengt, weil die alternative „Basis“ den Entscheid für eine aktive Kriegsbeteiligung der Bundesrepublik nicht durchwinken will und somit Neuwahlen Anfang nächstes Jahr nötig wären; er kommt so oder so, im Februar oder im September 2002, der irisierendste Wahlkampf der letzten 50 Jahre, ein packender Infight zweier Männer von herkulischem Zuschnitt.
O ja, wir können es, offen gestanden, nicht mehr erwarten. Wir scharren mit den Füßen, laufen nervös auf und ab, wir zittern vor purer Vorfreude auf das, was uns da über Wochen hinweg serviert werden wird. Zwei Männer, zwei Namen. Schröder. Stoiber. Stoiber und Schröder. O hehrer Klang, o Donnerhall! O gigantische Kompetenz! Zwei solche Kaliber, mein lieber Herr Gesangsverein! Kriegskanzler und Kommkanzler, leck uns fett!
Nun, was wird zwischen den beiden Politkloppern so abgehen? Der Mann des Bieres, Schröder, trifft auf den Mann des Mineralwassers, Stoiber. Das verspricht einiges, wenn nicht vieles. Hoch die Tassen! Wettstreit der Ideen! Wahlkampf full of Substanz! Inhaltliche Debatten, dass die Schwarte knirscht. Harte Bandagen, scharfe Konturen. Schluss mit dem Weicheigelaber der vergangenen Jahrzehnte, passé das Verbalgehoppel und phlegmatische Gebrummel der Scharpings, Kohls und, ach Gott, auch Brandts; von einem pausenlos schwerst besoffenen Strauß, der nix vertrug (Leber im Eimer), zu schweigen. Stoiberschröder – ein kerngesundes Zechertandem, das vor Geistesblitzen nur so spritzt.
Und dann, haja, das: Weiberwerben. Der Struggle um die Stimmen der Frauen. Was sollen wir groß erzählen! Schröder: drei Ehen (die vierte, hört man aus der SPD-Baracke, ist in Vorbereitung), das spricht seine ureigene Sprache der Attraktion. Und Stoiber? Der sei unser „Sexi Edi“, gluckste kürzlich Fürstin Gloria „Schnacksel“ von Thurn und Taxis. Ein „Hundertfünfzigprozentiger“ sei er, sagt Stoiber über sich. Was für 2002 heißt: Wir – und vornehmlich die Damen der Republik – werden uns vor geschwollenen Kämmen und einem wahren Overkill an Dressmansexyness etc. nicht mehr retten können, gosh!
Ja, die schmutzigen Gockel werden uns richtig einheizen, und den Gipfel werden sie bei einem TV-Duell erklimmen, aus dem wir schon heute packende Ausschnitte wiedergeben:
Schröder: „Was nun Innenpolitik betrifft, nun, Herr Stoiber, da sehe ich angesichts Ihrer Innenpolitik der Bundestagswahlentscheidung mit uneingeschränktem Optimismus entgegen, denn diese Form dieses primitiven Anti-Sicherheitsdenkens . . .“
Stoiber: „Sie sollten sich schämen, Herr Bundeskanzler, Sie sollten sich schämen!“
Schröder: „Ach, hören Sie doch auf. Wenn Sie laut werden, ist das ja nur ein Beweis dafür, dass Sie heute Nacht schlecht geschlafen haben.“
Stoiber: „Nein, ich kann das nicht durchgehen lassen. Sie schaden unserem Volk durch Ihre Lügen!“
Schröder: „Aber Herr Stoiber, was Sie alles in Miesbach vor ein paar Tagen gesagt haben, das hat Deutschland geschadet!“
Stoiber: „Sie sagen den Menschen die Unwahrheit, Herr Bundeskanzler. Ich lass das nicht durchgehen!“
Schröder: „Was haben Sie alles gegen . . .“
Stoiber: „Das stimmt doch gar nicht . . .“
Schröder: „. . . was Sie in den letzten Tagen gegen den Innenminister und . . .“
Stoiber: „Nein, Sie sagen dem deutschen Volk die Unwahrheit! Ich lass das nicht durchgehen. So können Sie nicht die Partei behandeln, die in Bayern die Mehrheit hat, das gibt es nicht!“
Schröder: „Sie können in Ihrem Parteibüro brüllen mit Ihren Mitarbeitern, aber nicht vor deutschem Publikum . . .“
Stoiber: „Auch mit Ihnen, wenn Sie die Unwahrheit sagen!“
Schröder: „Nein, Sie sagen die Unwahrheit. Wenn Sie bestreiten, dass Sie in Miesbach gegen den Innenminister . . .“
Stoiber: „Nein, Sie haben, Herr Schily hätte ich bald zu Ihnen gesagt, Sie haben versucht, die Partei des Anstands und der Fairness . . .“
Schröder: „Nein, dass Sie das jetzt sagen und sich nicht schämen, hier vor dem deutschen Volk wiederholt ‚Freiheit statt Sicherheit’ zu propa. . .“
(Rasch ausblenden – und ganz, ganz schnell einschlafen.)
JÜRGEN ROTH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen