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Brüssel will sich nicht erpressen lassen

Das außenpolitische Selbstbewusstsein Ankaras ist seit dem 11. September deutlich gewachsen. Und so konnten die Außenministerder EU auch gestern mit der Türkei keine Einigung über die EU-Eingreiftruppe finden. Den Zeitplan für den Einsatz will man aber nicht ändern.

BRÜSSEL taz ■ In Brüssel sind letzte Woche Zeugnisse verteilt worden, und wie jedes Jahr bekam die Türkei die schlechtesten Noten. „Die Türkei weist die Grundmerkmale eines demokratischen Systems auf, doch warten noch viele grundlegende Fragen, wie etwa die zivile Kontrolle über das Militär, auf eine wirksame Lösung“, heißt es im Fortschrittsbericht der EU-Kommission. Dennoch kann Ankara mit den harschen Worten aus Brüssel ganz zufrieden sein. Sie beweisen immerhin, dass die Türkei formal zu den Kandidatenländern gehört.

Bevor Verhandlungen beginnen können, wie sie mit den zwölf anderen Kandidaten längst geführt werden, muss es Reformen in praktisch allen Politikbereichen geben, stellt der Fortschrittsbericht klar. Auch „konkrete Schritte zur Erleichterung einer Lösung“ in der Zypernfrage hat Brüssel verlangt, Ankara solle auf „Herrn Denktasch“ einwirken – eine Mahnung, die wenige Tage später Wirkung zeigte. Der Chef Nordzyperns vereinbarte einen Gesprächstermin mit Glafcos Klerides, dem Präsidenten des griechisch-zypriotischen Teils der Insel.

So lange aber die im Fortschrittsbericht angemahnte zivile Kontrolle über das Militär durch die schwachen und zerstrittenen Parteien nicht gewährleistet werden kann, bleibt die Türkei für die EU ein unsicherer Kandidat. Notfalls wird das griechische Zypern, das als Musterschüler auch dieses Mal die besten Noten im Fortschrittsbericht erhalten hat, in die Union aufgenommen, ohne dass die Zypernfrage zuvor gelöst worden ist.

Auch bei der neuen EU-Eingreiftruppe wollen die Politiker in Brüssel auf Empfindlichkeiten und Neurosen der Militärs in Ankara keine Rücksicht nehmen. Die Verteidigungsminister bestätigten bei ihrem Treffen am Montag noch einmal, dass der Zeitplan eingehalten werden kann: Ab dem Jahr 2003 sollen innerhalb von zwei Monaten 60.000 Soldaten mobilisiert werden können. Um mit einer derartigen Truppe ein Jahr lang in einem Krisengebiet präsent zu sein, ist ein Pool von 100.000 Soldaten erforderlich, für die bereits Zusagen aus allen Mitgliedsländern vorliegen. Probleme gibt es allerdings weiterhin bei der strategischen Aufklärung und beim Transport. Hier möchte die EU im Einsatzfall gerne auf Nato-Ausrüstung zurückgreifen. Politiker und Experten halten es für absurd, eine Parallelstruktur zur Nato zu schaffen.

Diese Pläne werden seit Monaten von türkischen Militärs blockiert. Es dürfe keinesfalls dazu kommen, dass die EU-Krisentruppe auf Zypern eingesetzt werde und dabei Nato-Ausrüstung gegen das Nato-Land Türkei zum Einsatz käme, heißt es zur Begründung. In Brüssel stoßen derartige Alpträume auf wenig Verständnis. Eine Klausel, die Einsätze in Zypern ausdrücklich ausschließt, hält Erweiterungskommissar Günter Verheugen für denkbar. Ein Mitspracherecht, wie es Ankara bei allen Einsätzen der EU-Krisentruppe haben möchte, wird dagegen in Brüssel kategorisch abgelehnt.

Seit dem 11. September hält sich die Türkei als westliches Bollwerk in der Schurkenregion für unentbehrlich. Sie ist überzeugt davon, die USA als mächtigen Fürsprecher auf ihrer Seite zu haben. Aber auch in der EU ist das außenpolitische Selbstbewusstsein in den vergangenen Monaten gewachsen. In Brüssel wird deutlich gesagt, dass türkische Erpressungsversuche am Zeitplan nichts ändern – weder in der Zypernfrage noch beim Ausbau der Krisentruppe.

DANIELA WEINGÄRTNER

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