Das schwächste Glied in der Kette

Ein Jahr nach BSE ist Rindfleisch teuer, aber der Bauer hat nichts davon  ■ Von Gernot Knödler

Den Preis für den BSE-Skandal bezahlen die Rindermäster. Obwohl das Kilo Rindfleisch im Schnitt zwischen 50 Pfennigen und 1,80 Mark mehr kostet als vor der Krise, erhalten konventionell wirtschaftende Mäster 20 bis 25 Prozent weniger für jedes Schlachttier. Ihre Öko-KollegInnen betrifft das nicht. So richtig profitiert von der Krise haben aber auch sie nicht: Weil Rinder erstmal wachsen müssen, konnten sie die zur Hochzeit der Krise explodierende Nachfrage nicht befriedigen. Und inzwischen hat sich die Nachfrage nach Öko-Rindfleisch wieder normalisiert – ebenso wie die Nachfrage nach konventionellem Rindfleisch.

Doch die herkömmlich wirtschaftenden Bauern merken davon wenig. Schlachthöfe, Zerlegebetriebe und der Handel haben es geschafft, den größten Teil der durch BSE entstandenen Kosten auf die Mäster abzuwälzen, den kleineren auf die Verbraucher: Das Schlachten ist teurer geworden, weil Risikomaterial wie das Rückenmark entfernt werden muss. Teile wie der Kopf oder Knochen, für die früher sechs bis zwölf Pfennige pro Kilo bezahlt wurden, müssen jetzt gegen Gebühr entsorgt werden. Was früher in Form von Tiermehl als notwendiges Eiweiß an Allesfresser wie Schweine oder Hühner verfüttert wurde, wird jetzt verbrannt – mit der problematischen Konsequenz, dass verstärkt pflanzliches Eiweiß aus der dritten Welt importiert wird.

Die Kosten der BSE-Tests, die in Deutschland für alle Rinder ab einem Alter von 24 Monaten vorgeschrieben sind, stellen die Schlachthöfe ebenfalls den Bauern und Verbrauchern in Rechnung. In Hamburg beträgt die Gebühr etwa 100 Mark, in Schleswig-Holstein 76 Mark, ab einem Alter von 30 Monaten 48,70 Mark. Aber Kiel hat reagiert und senkt die Gebühren zum 1. Dezember auf 45,96 und 22,50 Mark. Zwar schlachten die Mäster ihre Bullen in der Regel schon mit 18 oder 19 Monaten, aber der Fleischgroßmarkt Hamburg zum Beispiel akzeptiert ausschließlich getestetes Fleisch. Auch die jungen Tiere werden so mit Gebühren belastet.

Dass die private Nachfrage und der Export bundesweit noch immer 14 Prozent unter dem Vor-BSE-Niveau liegen, drückt den Erzeugerpreis zusätzlich. Und darauf kommt noch der Fleischberg aus den Zeiten, als sich Rind nicht verkaufte. „Der Landwirt ist im Moment das ärmste Schwein“, bilanziert Jürgen Meier, der als Metzger bei einem Zerlegebetrieb im Großmarkt arbeitet. Weil er langfristig investiert, kann er die Zahl seiner Tiere nicht mal eben auf Null fahren und ist auf die Verkäufe angewiesen. Das macht ihn zum schwächsten Glied in der Kette.

Zehn Prozent der Rindermastbetriebe im Land haben nach Angaben der schleswig-holsteinischen Landwirtschaftskammer wegen des Preisverfalls aufgegeben. Die übrigen 300 kämpften um ihre Existenz. Auch die 40 Hamburger Rindermäster sind unter Druck. Beim Überleben hilft ihnen, dass sie neben dem Mästen auch noch Ackerbau betreiben.

Zum großen Umdenken scheint es bei den Landwirten nicht gekommen zu sein. Der Präsident des Hamburger Bauernverbands, Wilhelm Grimm, sieht seine Klientel als Opfer einer ungerechtfertigten Hysterie. „Die Politik, die man schon immer haben wollte“, sagt Grimm – die ökologische Wende –, „versuchte man auf dieser Basis durchzusetzen.“

Zwar ist in Schleswig-Holstein die Zahl ökologischer Erzeuger seit Ende vergangenen Jahres von 319 auf 338 gestiegen und die der Verarbeiter von 99 auf 124. Allerdings gründet sich die Umstellung gerade bei den Erzeugern oft auf einen mehrjährigen Entscheidungsprozess, so dass die Zahl nur eingeschränkt aussagekräftig ist. Immerhin wird es im kommenden Jahr attraktiver werden, auf ökologischen Landbau umzustellen: Die entsprechende Flächenprämie wird in Schleswig-Holstein von 300 auf 400 Mark pro Hektar erhöht.