Typisch skandinavische Leuchten
: Die wundersame Geschichte des DDR-Designs

In den 60er-Jahren – die DDR warlängst zur allseitig entwickelten sozialistischen Mangelgesellschaft geworden – stellte sich in einem Metallbetrieb in Halle/Saale die Leninsche Revolutionsfrage „Was tun?“ ganz neu. Der dortigen Arbeiterklasse wußte, dass ihre extrem stromfressenden Heizsonnen nicht mehr hergestellt würden. Ein Mitarbeiter kam auf die erleuchtende Idee: „Setzen wir eben statt der Heizspiralen Glühlampen in die Reflektoren und hängen sie an die Decke. Fertig ist die Lampe.“

Das Geschäft mit den Metallleuchten, die bald auch von Designern der benachbarten Hochschule für Industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein gestaltet wurden, lief prächtig. Mitte der 70er entdeckte IKEA die Lampen auf der Leipziger Messe und machte die Halleschen Metalldrücker fortan zu seinem Lieferanten. Was bis heute so geblieben ist. Diese Geschichte gehört zu den skurrilsten aus dem Design-Wunderland DDR. Ausgerechnet im Westen verkauften sich die DDR-Waren bestens, weil sie nicht als Ostprodukt erkennbar waren.

Den erinnerungswürdigen Arbeitsergebnissen der 2500 ausgebildeten ostdeutschen Form- und Textilgestalter widmet sich das Buch „Penti, Erika und Bebo Sher – Klassiker des DDR-Designs“. Der Autor Günter Höhne war Chefredakteur der Ostberliner Design-Fachzeitschrift „form+zweck“ und Anfang der 90er-Jahre an der Gründung der ersten regionalen Designzentren in Ostdeutschland beteiligt. Sein Buch belegt, dass die generelle Unfähigkeitsvermutung bezogen auf die ostdeutschen Designer nicht gilt.

Der Autor räumt jedoch ein, dass die meisten DDR-Serienprodukte eher im internationalen Design-Verschnitt daherkamen. Was nicht nur an den Schöpfern lag. Seit den 70er-Jahren mussten sie verstärkt für den Export arbeiten und zugleich sparsam mit Rohstoffen umgehen, was hieß: keine formalen Experimente bei Uhren, Haushaltsgeräten oder Glasprodukten. Die ökonomischen Vorgaben ersetzen völlig die ideologischen. Die gab es noch 1962, als die schnörkellosen weißen Vasen der Gestalterin Margarete Jahny – später Miterfinderin des legendären Rationell-Hotelgeschirrs (besser bekannt als Mitropa-Service) – den öffentlichen Vorwurf des „kalten Funktionalismus und hinter dem Leben zurück“ einbrachten. Zunehmend ähnelten ostdeutsche Bodenstaubsauger oder Föne denen von Miele oder Braun, weil man bei gewonnenem Exportauftrag sogleich das westdeutsche Versandhauslabel draufpappen konnte.

Den Staatlichen Außenhandel bewegten solche Probleme weniger. Seine Verkäufer lernten marktwirtschaftlich und kundenorientiert zu denken. Lehrreich waren da Pannen wie auf der Leipziger Messe, als ein DDR-Möbelbetrieb den westdeutschen Einkäufern voller Stolz Polstermöbel mit besonders strapazierfähigen Textilien präsentierte. Worauf die erschüttert reagierten: „Aber das hält ja ewig! Zieht um Himmels Willen was Verschleißfreudigeres drauf.“

Dass die Floskel „Es war nicht alles schlecht in der DDR“ auch für das Design galt, zeigte sich verschiedentlich nach der Wende. So entdeckten zwei ostdeutsche Designer, die 1985 als Studenten eine Bausatzleuchte entworfen hatten, die nie produziert wurde, 1998 die Lampe bei einer italienischen Firma auf der Frankfurter Tendence-Messe. Anstandslos bekamen sie jedoch ihre Urheberrechte zugestanden –und weitere Aufträge für neue Leuchtenentwürfe. GUNNAR LEUE

Günter Höhne „Penti, Erika und Bebo Sher – Klassiker des DDR-Designs“, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin ca. 320 Seiten, 49,80 DM