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So schnell vergriffen wie noch nie

Der satirische taz-Titel über Parteichefin Roth empörte die Grünen-Spitze: Sie wollte das Blatt nicht mehr anfassen. Die Delegierten taten es dann doch

ROSTOCK taz ■ „Wir machen uns an der taz nicht die Finger schmutzig“, sagt der grüne Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer. „Das ist geschickt verkleidet, aber Zensur“, findet Dorothee Kroll, grüne Delegierte aus Euskirchen.

Aber der Reihe nach: Michael Schwan betreut auf dem Grünen-Parteitag den Stand der taz. Doch als er am Samstag früh das Foyer der Rostocker Stadthalle betritt, findet er alle möglichen Tageszeitung vor – nur nicht die taz. Was ist los? Das taz- und Grünen-typische Chaos? Schwan macht sich auf die Suche nach Dorothea Staiger, der Organisationsleiterin des Parteitags. „Wir fassen die Zeitung heute nicht an“, sagt sie – und geht.

Schwan beschließt, zum Tagungsbüro zu gehen. Ein Grünen-Mitarbeiter wedelt mit der taz: „Lies das doch mal!“ Auf Seite eins ist ein Foto von Claudia Roth zu sehen, mit der Überschrift: „Die Gurke des Jahres“ – in Anspielung auf die taz-Rubrik „Die Gurke des Tages“, die seit genau zehn Jahren auf der „Wahrheit“-Seite erscheint.

Inzwischen kursieren Gerüchte, der Bundesvorstand habe die taz auf dem Kongress verboten. Delegierte schimpfen am taz-Stand über die Parteiführung. Einige beschimpfen den taz-Mitarbeiter: Sie halten es für einen raffinierten Marketinggag.

Als Schwan zu seinem Stand zurückkehrt, findet er dort zwei Stapel tazzen vor. Zwei Delegierte – Dorothee Kroll und Katharina Hegemann vom Kreisverband Euskirchen – hatten Bütikofer zur Rede gestellt und die Zeitungen am Stand angeliefert. So, wie es eigentlich das Bundesbüro hätte tun sollen. „Es hat uns sehr geärgert, dass die taz unter den Tisch fallen sollte.“

Sehr geärgert hat sich auch die grüne Führungsspitze über die Seite 1 der taz. Bütikofer sieht sich angesichts der Gerüchte schließlich gezwungen, in Sachen taz kurz vor dem Parteitag zu reden. Das sei keine Zensur gewesen, man habe die Titelseite nur niveaulos gefunden und wolle die taz nicht mehr anfassen. Viele Delegierte taten das dann doch. Schwan: „So schnell, war die taz noch nie vergriffen.“

MATTHIAS URBACH

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