: „Zu viel Naher Osten, zu wenig Aufbau Ost“
Der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz hält es für nötig, dass seine Partei in den neuen Ländern aktiver wird und aus Problemen Projekte macht
taz: Meinen Sie, die grundsätzliche Akzeptanz der deutschen Beteiligung am Krieg gegen den Terror wird Ihrer Partei im militärkritischen Osten helfen?
Werner Schulz: Nur wenn wir uns offensiv für diese Position einsetzen und uns mit der fragwürdigen Pazifistenpartei PDS auseinander setzen. Wir haben gerade den Schritt von der Friedensbewegung zur Friedenspolitik vollzogen. Die Erkenntnis ist schmerzhaft, aber richtig, dass eine Antikriegspartei auch bereit sein muss, Kriege niederzuschlagen und einzudämmen. Manchen muss man erst die Schwerter aus der Hand nehmen, bevor man diese zu Pflugscharen schmieden kann.
Wenn es nicht an der Haltung zu Militäreinsätzen liegt – woran liegt es, dass die Grünen in den neuen Ländern nicht auf die Beine kommen?
Wir beschäftigen uns zu wenig mit den neuen Ländern. Unsere Zukunftsfähigkeit entscheidet sich nicht im Nahen Osten, sondern an den nahe liegenden Problemen beim Aufbau Ost.
Interessieren sich die Grünen nicht genug für die neuen Länder?
Na ja, ich hoffe mal, dass der Totensonntag der Grund ist für die Leidenschaftslosigkeit, mit der die Debatte über das Thema geführt worden ist. Sonst würde das deprimierende Rückschlüsse auf die politischen Prioritäten zulassen. Ursprünglich sollte der Aufbau Ost hier in Rostock ein Hauptthema sein. Stattdessen ist jetzt die Debatte auch noch verkürzt worden.
Was halten Sie denn inhaltlich vom Antrag, den Ihre Partei zum Thema verabschiedet hat?
Er bietet gute Ansatzpunkte. Die Erkenntnis ist richtig, dass man aus Problemen Projekte machen muss und dass sich die Beschäftigung mit dem Osten nicht in der Problembeschreibung erschöpfen darf, wie das bei anderen Parteien der Fall ist. Aber das muss auch als Gemeinschaftsaufgabe der gesamten Partei begriffen werden. Wenn bei Beginn der Debatte halbe Landesverbände aus den alten Ländern fehlen, dann ist das traurig.
Ist es für die Grünen mit Blick auf die Wahlergebnisse sinnvoll, sich intensiv mit den neuen Ländern zu beschäftigen? Sie holen dort doch ohnehin kaum Stimmen.
Rot-Grün ist durch den Stimmungsumschwung im Osten zu Stande gekommen. Wir hatten 1998 viel bessere Ergebnisse, als sie uns heute in Umfragen vorhergesagt werden. Wenn etwas auf der Kippe steht, dann ist es die Stimmung in den neuen Ländern. In diesem Zusammenhang ist auch der innerparteiliche Aufbau Ost wichtig.
Sie selbst sind immerhin auch gerade vom sächsischen Landesverband nach Berlin gewechselt. Warum?
Weil ich zwölf Jahre Aufbauarbeit in Sachsen geleistet habe und mich jetzt auch politisch wieder auf meinen Wohnort konzentrieren will.
INTERVIEW: BETTINA GAUS
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