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Das Hässliche aufs schönste gezeigt

Die neue Wehrmachtsausstellung hat aus Fehlern der alten gelernt: Sie stellt Verbrechen im Zweiten Weltkrieg überzeugend in den historischen Kontext

von CHRISTIAN SEMLER

Nicht im Deutschen Historischen Museum, sondern in den „Kunst-Werken“ in Berlin fand gestern die Neueröffnung der Wehrmachtsausstellung statt – ein glücklicher Zufall. Denn die Ausstellungsmacher in der Auguststraße mühen sich seit längerem, der Rolle der Medien im Spiel von Realität und künstlerischer Konstruktion auf die Spur zu kommen. Eine Wahlverwandtschaft mit den Hamburgern, die mit der ersten Ausstellung teils als Akteure, teils als Objekte einer riesigen Medienöffentlichkeit agierten.

Der Entschluss einer neuen Wissenschaftlercrew, zusammen mit Jan Philipp Reemtsma auf Korrekturen der ersten Austellung zu verzichten und eine Neukonzeption auszuarbeiten, ist aufgegangen. Während des langen Moratoriums war diese Konzeption Gegenstand heftigen Misstrauens gewesen. Nicht wenige derer, die sich an dem fünfjährigen Grabenkampf um die Verbreitung der Wahrheit – eben die Verbrechen der Wehrmacht – beteiligt hatten, befürchteten, das Unternehmen werde jeden Biss verlieren, werde untergehen in sorgfältiger Abgewogenheit. Solche Befürchtigungen haben sich nun als grundlos erwiesen.

Die neue Crew hat an Stelle der Ordnung nach Hauptschauplätzen des Verbrechens einen Aufbau nach Themenkomplexen gewählt, wobei die Darstellung der völkerrechtlichen Grundlagen für die Beurteilung der Wehrmachtsverbrechen sowie der „Vorlauf“ zum Vernichtungskrieg das Entree bilden. Darum gruppieren sich die Schwerpunkte Völkermord, sowjetische Kriegsgefangene sowie Repressalien und Geiselerschießungen. Im 1. Obergeschoss folgen Deportationen, Partisanenkrieg und Ernährungskrieg, im 2. Obergeschoss schließlich ein Überblick über die Nachkriegszeit und Feldpostbriefe. Die Ausstellung wird beschlossen durch die Schilderung von acht Fällen, in denen der Handlungsspielraum von Akteuren ausgelotet wird, sowie durch eine Übersicht über die Kontroversen seit Eröffnung der ersten Ausstellung 1995.

Diese Methode des Treppchensteigens von den Grundlagen des Verbrechens bis zur Selbstreflexion der Ausstellungsmacher folgt nicht nur den Raumverhältnissen, sondern legt auch eine Spur des Arbeitsprozesses. Gemessen an der neuen Ausstellung scheint die alte fast dem Genre der „arte povera“ zurechenbar. Die einzelnen Themenkomplexe können jetzt in Boxen vorstudiert werden. Die Einführungstafeln stellen den jeweiligen historischen Kontext ohne pädagogische Überanstrengung her. Fotos wie Dokumente sind nach dem Guckkastenprinzip geordnet, also besucherfreundlich. Die ganze Ausstellung ist in Weiß getaucht, sehr hell, sehr übersichtlich, sicher sehr teuer, aber überhaupt nicht geschmäcklerich. So schön kann, dem Ausstellungsmacher Andreas Heller sei Dank, das absolut Hässliche dargestellt werden.

Die erste Ausstellung stellte zwar ebenfalls die mörderischen Ereignisse in ihren Zusammenhang, setzte aber auch stark auf die Schockwirkung der Bilder. Obwohl die neue Ausstellung in geringem Umfang auf den Bildbestand der alten zurückgriff, haben bei ihr schriftliche Zeugnisse und Erklärungen einen viel höheren Stellenwert. Damit aber ist keineswegs eine Abschwächung der emotionalen Wirkung verbunden. Gerade durch starke Betonung des jeweiligen historischen Bezugs verstärkt sich das Grauen. „Je mehr Details, desto erschreckender“, formulierte es der Historiker Reinhard Rürup in der taz.

Wie sind die Ausstellungsmacher mit den umstrittenen Fotos bzw. Fotokomplexen umgegangen? Ein erster Überblick zeigt sorgfältige Nachrecherche, zum Beispiel beim Tatort Tarnopol in der Ukraine. Eine neu aufgefundene Fotosequenz aus dem Prager Archiv beweist das Nebeneinander von Opfern des sowjetischen NKWD und Opfern der Pogrome. Es fällt jetzt leichter, die Chronologie zu rekonstruieren und die Rolle von Wehrmachtssoldaten zu bestimmen. Wie insgesamt festgehalten zu werden verdient, dass die sehr unterschiedlichen Formen der Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an Kriegsverbrechen jetzt deutlicher fassbar wird. Diese Art von Differenzierung wird der aufklärerischen Absicht der Ausstellung außerordentlich förderlich sein.

Die Ausstellung ist bis zum 13. Januar in den „Kunst-Werken“ in der Auguststraße in Berlin-Mitte zu sehen.Am kommenden Samstag dokumentiert das tazmag die Eröffnungsrede von Hans-Erich Volkmann, Leiter der Abteilung Forschung am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam.

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