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Nicht verboten ist auch erlaubt

Rot-Grün bricht angriffslustig die erste Filzdebatte in der neuen Bürgerschaft vom Zaun  ■ Von Sven-Michael Veit

Nachdem er den zweiten Ordnungsruf kassiert hatte, ging Frank-Michael Bauer (Schill-Partei) in die rechtsstaatliche Offensive: „Das lasse ich gerichtlich klären“, drohte er Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt (SPD) an. Die hatte Bauer gerügt, weil er der SPD „44 Jahre politischer Schweinereien“ sowie den Aufbau „mafiöser Strukturen“ vorgeworfen hatte.

Die Antwort fiel kaum weniger drastisch aus. Ein „gebrochenes Verhältnis der Schill-Partei zu Demokratie und Rechtsstaat“ konstatierten übereinstimmend für die SPD Britta Ernst und Ingo Egloff sowie die grüne Fraktionschefin Krista Sager. Rot und Grün hatten der Versuchung nicht widerstehen können, in der Aktuellen Stunde der gestrigen Bürgerschaftssitzung die erste Filz-Debatte der neuen Legislaturperiode angriffslustig vom Zaun zu brechen.

Im Visier hatten sie vor allem die Schill-Abgeordneten Dirk Nockemann und Andre Gonska. Ersterer ist zugleich Büroleiter von Innensenator Ronald Schill. Gonska dient Umweltsenator Peter Rehaag als persönlicher Referent. Das sei „Kumpanei und Selbstbedienung“, so Sager, die auch den in Promi-Discos umtriebigen Schill persönlich anging: „Erst den Hals nicht voll kriegen und abends noch Champagner drauf.“

In der gestern veröffentlichen Antwort auf eine Anfrage der SPD hatte der Senat die Fakten eingeräumt. Von vermuteten „Interessens- und Gewissenskonflikten“ könne hingegen keine Rede sein. Genau das sieht die Opposition völlig anders. Denn nach dem im Sommer auch mit den Stimmen der CDU verabschiedeten Wahlgesetz ist die Tätigkeit im Stab eines Senators nicht vereinbar mit einem Parlamentsmandat.

Mit dieser Regelung, die allerdings erst 2005 formal in Kraft tritt, soll die Trennung zwischen Exekutive und Legislative schärfer umgesetzt werden. Im Sinne der politischen Hygiene, so die Interpretation von SPD und GAL, sollte diese Regelung aber jetzt schon befolgt werden.

Die Union, die Filz zu einem ihrer wichtigsten Wahlkampfthemen gemacht hatte, kettete sich in Treue fest an ihren Koalitionspartner: „Was erst 2005 verboten wird, ist folglich jetzt noch erlaubt“, analysierte Stefan Schulz, im Hauptberuf als Rechtsanwalt langjähriger Sozius des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust. „So einfach ist das“, wischte er die rot-grüne Argumentation vom Tisch, die Burkhard Müller-Sönksen (FDP) „einfach nur belanglos“ fand. Und CDU-Fraktionschef Michael Freytag warf den Sozialdemokraten vor, nach 44 Jahren Parteibuchwirtschaft „im Glashaus mit Steinen zu werfen“.

Ganz falsch ist dieser Befund sicherlich nicht, einige Treffer waren dennoch zu verzeichnen.

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