EU-KOMMISSAR MONTI KÄMPFT FÜR DEN MARKT UND HILFT DER UMWELT
: Die Ökosteuer muss wehtun

Der EU-Kommissar für Wettbewerb kritisiert die Ausnahmen in der deutschen Ökosteuer für die Stromgroßverbraucher. Greift hier ein Wirtschaftsliberaler ein deutsches Umweltgesetz an? Ja. Aber in diesem Fall hat es – wenn überhaupt – positive Folgen für den Stromverbrauch und damit die Umwelt in Deutschland. Denn Kommissar Mario Monti sieht zu Recht eine unzulässige Bevorzugung jener Branchen, die nur 20 Prozent der Stromsteuer zahlen müssen. Vier Jahre Ausnahmeregelung sind genug, meint Monti.

Wirtschaftspolitisch haben die bisher geschonten Stromgroßverbraucher im produzierenden Gewerbe und in der Landwirtschaft natürlich Recht: Sie trifft die Ökosteuer härter als kleinere Verbraucher und Privathaushalte. Deshalb ist eine Übergangsfrist nicht völlig absurd. Umweltpolitisch albern wird es allerdings, wenn die Industrie und mit ihr Wirtschaftsminister Werner Müller im Umkehrschluss behaupten, ohne dauerhafte Ausnahmeregelungen müsse die Ökosteuer geändert oder gar abgeschafft werden: Die Steuer ist ja gerade dazu da, um auf die Dauer wehzutun. Nur dann entfaltet sie ihre Lenkungswirkung; irgendwann müssen die großen Stromverbraucher eben in Sparmaßnahmen investieren.

Der Vorstoß von Herrn Monti wird trotzdem die Ökosteuer in Deutschland nicht viel weiterbringen. Denn die Bundesregierung, speziell Finanz- und Wirtschaftsministerium, werden schon einen Ausweg finden. Dafür sorgt der bekannt große Einfluss der Industrie in Regierungskreisen. Gestern Abend traf sich beispielsweise Finanzminister Hans Eichel mit Monti, um Schlupflöcher zu finden, die mit dem EU-Wettbewerbsrecht konform sind. Das ist dann wieder schlecht für die Umwelt – was aber sowohl für den EU-Kommissar wie auch die SPD-Ministerien das weitaus kleinere Übel darstellen dürfte.

Bei all den Scharmützeln gerät völlig außer Sicht, dass die Ökosteuer eigentlich kontinuierlich erhöht werden müsste. Für Strom ebenso wie für Öl. Fast alle Experten stimmen zu, dass Steuern auf Arbeit niedriger, Steuern auf Rohstoffe jedoch höher sein dürften. Das muss nicht heißen, dass die Industrie in Billigstromländer ausweicht. Nur für die wenigsten ist der Energiepreis der entscheidende Standortfaktor. Und einige EU-Länder wie Großbritannien verteuern die Energie bereits stärker als Deutschland. Doch von einer Ausweitung der Ökosteuer ist nicht mehr die Rede – weil der Wahlkampf naht und SPD wie Grüne eine Benzinpreiskampagne der Opposition fürchten. Denn in Zeiten der Wirtschaftskrise muss die Regierung mit allen Mitteln um gute Stimmung kämpfen. Koste es die Umwelt, was es wolle. REINER METZGER