: Ehre für einen politischen Gefangenen
Der iranische Journalist Reza Alijani machte seine Zeitung zu einem Sprachrohr der Reformer
PARIS taz ■ Ein Stellvertreter musste den mit 15.000 Dollar dotierten Preis für ihn in Empfang nehmen, denn er selbst befindet sich zurzeit in Haft: Reza Alijani, seit gestern Träger des Menschenrechtspreises von „Reporter ohne Grenzen“, wurde im Februar von iranischen Geheimdienstagenten festgenommen.
Zweihundert Tage saß er in Einzelhaft, bevor er mit zwei anderen Journalisten in eine andere Zelle verlegt wurde. Es gibt keine offizielle Anklage gegen ihn, und sein Anwalt erhält weder Zugang zu ihm noch zu den Prozessakten. Selbst seine Frau und seine beiden Kinder durften ihn während der ganzen Zeit nur ein einziges Mal besuchen.
Alijani wurde verhaftet, weil er als Journalist die Reformbewegung in seinem Heimatland Iran unterstützt hatte und sich dabei auch von Todesdrohungen nicht hatte einschüchtern lassen. Seit 1992 arbeitete er für die Zeitung Iran-e-farda (Iran von morgen), zunächst als Meinungs-, später als Chefredakteur. Er machte das Blatt zu einem Sprachrohr der Reformbewegung und hatte vor allem unter den Studenten und Intellektuellen Anhänger. Der iranischen Presse kam eine entscheidende Rolle bei den Reformen und der Entwicklung hin zur Wahl des fortschrittlichen Präsidenten Chatami zu. 1998 wurden mehrere Intellektuelle ermordet, und es tauchte eine Todesliste auf, auf der der Name Alijani an erster Stelle stand.
Doch der verzagte auch angesichts der Gefahr für sein Leben nicht und veröffentlichte in seiner Zeitung die erste Dokumentation über die Ermordungen. Auch war er der Einzige, der in Interviews mit ausländischen Radiostationen und mit Artikeln weiter die Pressefreiheit im Iran verteidigte. In einem Interview mit der iranischen Zeitung Arya sprach er zum ersten Mal im Iran über die Morde an Tausenden Gefangenen im Jahr 1989, für die iranische Behörden verantwortlich sind. Deswegen musste Alijani immer häufiger vors Revolutionsgericht. Im Januar 1999 begannen die Todesdrohungen.
Schon vor seiner Zeit bei Iran-e-farda war Alijani politisch aktiv gewesen, deswegen stand er auch immer unter Beobachtung wurde schon einmal verhaftet und gefoltert. Die Verschärfung der Pressegesetze im April 2000 ließen schließlich ein Verbot von Iran-e-farda zu. Die konservativen Kräfte hatten zwar die Parlamentswahlen verloren, doch nutzen sie die ihnen verbleibenden zwei Monate, um das restriktive Gesetz durchzubringen. Es beinhaltet ein Berufsverbot für Journalisten, die wegen „Pressevergehen“ verurteilt wurden. Zum Beispiel ist es bei Todesstrafe verboten, Artikel zu veröffentlichen, die die Verfassung des Landes kritisieren. Seit seinem Inkrafttreten wurden mehr als 40 Zeitungen eingestellt und Dutzende Journalisten verhaftet. Das neue Parlament versuchte, das Gesetz wieder abzuschaffen, scheiterte jedoch an der direkten Intervention des Religionsführers Khamenei.
Um den beschränkten Zugang zu unabhängigen Medien zu umgehen, nutzen viele Iraner das Internet. Doch auch das versuchen die konservativen Kräfte im Land zu verhindern: Im Mai 2001 schlossen die Behörden 400 Internetcafés in Teheran.
Mit 17 inhaftierten Journalisten ist Iran das größte Gefängnis für Reporter im Mittleren Osten. „Reporter ohne Grenzen“ bezeichnet Religionsführer Khamenei als einen der schärfsten Feinde der Pressefreiheit.
DINAH STRATENWERTH
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