piwik no script img

Hast du es gut, dass du allein bist

Familenväter haben’s wirklich nicht leicht – vor allem wenn sie glauben, Singles trösten zu müssen

Was macht man allein auf einer Party? Man folgt dem Herdentrieb zum Herd, schmeißt sich ins Getümmel, das sich wie immer in der Küche staut. Neben mich quetscht sich ein Exkommilitone, den ich zuletzt vor sechs Jahren gesehen habe. Das Muster ist also vorgegeben. Ich bin die Erste: „Und, was machst du jetzt so?“ – Wie zu erwarten, hat er Karriere gemacht. Und sei es in der Selbstdarstellung. Aber ob die Chefs nun virtuell oder real auf ihn hören: Das ist vor den Mozarellahäppchen sowieso nicht herauszufinden. Und außerdem ist es schön, bedeutende Freunde zu haben. Also lächele ich, während er mir die Verwaltung von Berlin erklärt. Ansonsten hat er inzwischen eine Frau und zwei Kinder.

Nach etwa zwanzig Minuten besinnt er sich, dass er jetzt dran ist: „Und du?“ – Soll ich jetzt von der taz berichten, dass es da Spaß macht, wenn auch nicht jeden Tag? Das wäre natürlich möglich, aber wenn er so ehrlich von seiner Familie erzählt, warum soll ich dann nicht ebenfalls ehrlich sein: „Ich bin Single.“

Einige Sekunden sieht es so aus, als wäre unser Gespräch jetzt zu Ende. Man gibt nicht zu, dass man Single ist – und schon gar nicht unaufgefordert. Es sei denn, man will sich einen Partner angeln. Er will aber nicht geangelt werden, und wenn vielleicht doch, dann auf gar keinen Fall von mir. Das ist deutlich. Er rückt einige Zentimeter weiter weg vom Herd.

Doch bevor er ganz außer Hörweite gerutscht ist, fällt ihm ein, dass er ja von den Singles erzählen könnte, die er so kennt. Da ist zum Beispiel ein guter Freund, den seine Frau verlassen hat. Obwohl sie zwei Kinder haben! Die beiden sind zwar meistens bei ihr, aber welche neue Freundin will sich mit einem allein erziehenden Vater abgeben?

Oder ein anderer guter Bekannter. Nie hat sich eine Frau für ihn interessiert, er war schon ganz verzweifelt, aber dann hat er doch noch eine in seinem Angelverein getroffen. „Stell dir vor, beim Angeln! Das machen sonst nur Männer!“ Offensichtlich ist das als Trost für mich gedacht. Selbst in unwahrscheinlichen Lebenslagen können unwahrscheinliche Kandidaten doch noch einen Partner kennen lernen. Also auch ich!

Er hält sich an seinen Geschichten fest, als wären sie ein Rettungsanker in stürmischer See. Als ihm die ungewöhnlichen Begebenheiten ausgehen, erzählt er eben die gewöhnlichen. Wie Freunde von ihm zum Paar wurden, die miteinander studiert haben: „Hat aber auch sehr lange gedauert!“ Wie ein Bekannter eine Rundreise durch Indonesien gebucht hat und dort gleich auf seine Traumfrau traf. Oder wie eine gute Freundin schließlich sogar einen Millionär kennen gelernt hat – er war der Nachbar einer Kollegin. Die Botschaft an mich sollte wohl sein: Geduld lohnt sich, nur keine Panik.

„Beziehungsanzeigen haben aber nie etwas gebracht.“ Da konnte ich nur kurz nicken, während er schon in die passende Geschichte startete. Eine Freundin habe ausdrücklich in die Zeit-Annonce geschrieben, dass sie gleichaltrige Partner suche. „Sie ist 35, und gemeldet haben sich nur 55-Jährige!“ Ich kam gar nicht dazu vorzuschlagen, dass es vielleicht an der Zeitung lag.

Während er so engagiert Trost spendet, erwarte ich ständig, dass er zum Uralt-Lieblingspartytrick greift und sich zur Badewanne verabschiedet, wo die Biere kühlen. Um sich anschließend auf das Sofa im Wohnzimmer zurückzuziehen, auch wenn dort sonst niemand ist, nur um endlich vom Herd weg zu kommen. Und von dem bekennenden Single davor.

Er zögert auch schon. Macht längere Pausen. Guckt so unkonzentriert.

Aber nein, doch nicht. Stattdessen erzählt er mir, wie schön das Familienleben ist – aber eben auch, wie anstrengend. Erst letzte Nacht habe seine kleine Tochter eineinhalb Stunden gebrüllt, um dann ebenso plötzlich wieder einzuschlafen. Immer sei man übermüdet, jeden Abend zu Hause, nie könne man weg, und am Wochenende will der ältere Sohn immerzu Memory spielen. Botschaft an mich: Hast du es gut, dass du allein bist!

Anscheinend ist der Mitleid-Staffelstab an mich zurück gereicht, und mir fällt auch spontaner Trost ein: „Ja, das kann ich mir vorstellen, dass Familienleben anstrengend ist.“

Er sieht irritiert aus; so war seine Klage nun auch wieder nicht gemeint. Jetzt hat er aber keine Lust mehr, weiter von sich zu berichten. Bevor er zur Badewanne verschwindet, sagt er einen letzten Satz, als Hieb gemeint: „So, wie du davon erzählst, beschäftigt es dich aber, dass du Single bist.“ – Ja, klar. Da gäb’s viel zu erzählen. Nur dass ich dazu nicht gekommen war. Sonst hätte ich zum Beispiel davon berichten können, wie langweilig und vorhersehbar manche Partygespräche mit Familienvätern sein können.

Fragen zu Non-Profit?kolumne@taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen