: Der Hausarzt als Aktionär
In der Schweiz agieren Ärzte als Lotsen ihrer Patienten und Aktionäre ihrer eigenen AG
BERLIN taz ■ Wer sich in der Schweiz im Hausärztesystem versichert, zahlt weniger. Unter einer Bedingung: Erste Anlaufstelle im Krankheitsfall ist immer der Hausarzt. Er wird zum so genannten Gatekeeper, zum Pförtner im Gesundheitswesen, und lotst den Patienten durch den Dschungel von Fachärzten, Krankenhäusern und Therapeuten. Das Ziel: Doppeluntersuchungen und teures Spezialistenhopping zu verhindern und die Behandlung zu koordinieren. Schließlich, so die Überlegung, kennt der Hausarzt seinen Patienten besser als jeder Spezialist.
Effizienter als das Hausärztesystem aber hat sich in der Schweiz die so genannte Health Maintainance Organization (das HMO-Modell) erwiesen: In als Aktiengesellschaften organisierte Gemeinschaftspraxen sind die Ärzte bei den Krankenkassen fest angestellt. Für jedes Versicherungsmitglied erhält die HMO-Praxis von der Kasse eine jährliche Pauschale, mit der sie alle Ausgaben decken muss: Von der Untersuchung bis zum Krankenhaus. So werden überflüssige Untersuchungen vermieden.
In den neuesten Pauschalmodellen werden die Ärzte selbst zu Aktionären und tragen somit auch das volle finanzielle Risiko. Patienten, die sich im HMO-System behandeln lassen, sparen manchmal sogar bis zu 40 Prozent der Beiträge – zumal sie in der Schweiz neben der vollen Abgabe für die Krankenkassen auch noch ein Zehntel jeder Arztrechnung berappen müssen. Der Arbeitgeber zahlt nicht mit, jenseits einer Höchstgrenze aber springen Bund und Kanton ein.
Die Befürchtung, dass auf Kosten der Patienten gespart wird, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Unabhängige Verbände prüfen die Qualität der Pionierpraxen, und die enge Vernetzung der Ärzteschaft samt wöchentlich stattfindenden Qualitätszirkeln, um die besten Behandlungswege zu diskutieren, führen zu hohen medizinischen Standards. Und besserem Service: Viele der HMO-Praxen haben bis 20 Uhr geöffnet, und das sechs Tage die Woche. Für die Schweizer Gesundheitspioniere ist zudem eine günstige Medizin eng mit einem mündigen Patienten verknüpft. „Patient Empowerment“ nennen sie das: Den Patienten so gut über seine Krankheit zu informieren, dass er über die Therapie mitentscheiden kann und Krisensituationen rechtzeitig erkennt. Patienten etwa, die am Herzschwächeprogramm der Züricher Medix-Gruppenpraxis teilnehmen, leben nicht nur länger und zufriedener, sondern verursachen auch viel weniger Kosten.
Höhepunkt dieser Entwicklung bisher: Die Schweizer Verbraucherverbände und fortschrittliche Ärzte forderten vor 14 Tagen einen öffentlichen Gesundheitsführer, der nicht nur die Qualifikation der Ärzte und ihre Fortbildungen, sondern auch die Zufriedenheit ihrer Patienten vermerkt. Zusätzlich wird die Anzahl der von ihnen durchgeführten Operationen veröffentlicht. So soll sich jeder Schweizer selbst ein Bild über seinen Arzt machen können. Im Endeffekt haben dann die Patienten die Wahl und stimmen mit den Füßen ab, von wem sie sich behandeln lassen wollen – oder eben nicht. HENNO OSBERGHAUS
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