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Der Präsident will hungern lassen

Im Süden Simbabwes bekommen die Kinder tagelang nichts zu essen. Doch die Regierung blockiert Hilfslieferungen – aus reinem Machtkalkül

aus Matabeleland MARTINA SCHWIKOWSKI

Die Schulstunde im Schatten des mächtigen Baumes löst sich in Sekundenschnelle auf. Ausgelassen rennen die Kinder zum Gebäude der Tshayamathole-Grundschule, bauen sich neugierig auf und lächeln etwas schüchtern: Besucher gibt es in der abgelegenen Buschgegend in Matabeleland selten. Es ist heiß und schwül hier im Süden Simbabwes. Die Mittagssonne brennt.

Das große Hallo ebbt langsam ab und die Kleinen bilden eine Schlange, ihre gelben Plastikbehälter fest im Griff. Die Kinder warten auf Nahrung, die die katholische Mission aus der Provinzhauptstadt Bulawayo jede Woche schickt. Sie warten vergeblich. Denn an diesem Tag kommt der Lastwagen mit dem Essen nicht.

Etwas abseits steht eine alte Frau, ihre grüne Bluse flattert leicht im Wind, der Rock hängt lose an ihrer dünnen Figur herunter. Mlalazi Polycarpa lebt im Dorf und hat sich hier an der Schule mit einer Gruppe von Müttern und Kleinkindern getroffen. Mlalazi zuckt mit den Schultern, als ihr der junge Bauingenieur Mafu Dumisani erklärt, dass der Lastwagen noch in der Reparatur sei. Mlalazi nickt nur, kein Zeichen von Enttäuschung. Sie öffnet einen kleinen Lagerraum im alten Schulgebäude und deutet auf die aufgestapelten Säcke mit Maismehl. Bei der letzten Lieferung seien diese Säcke nass geworden: „Sie sind verschimmelt.“

Es herrscht Hunger im Matabeleland. Die Dürre im Süden Simbabwes allein erklärt aber nicht, warum es in einem der reichsten Länder der Region nichts mehr zu essen gibt. Die Enteignung fast aller weißen Großfarmen des Landes durch die Regierung von Präsident Robert Mugabe und der Zusammenbruch der kommerziellen Landwirtschaft sind die wichtigsten Gründe für eine Krise, die Hilfsorganisationen schon zu Jahresbeginn vorhersagten: Es fehlen zur Ernährung der Bevölkerung 600.000 Tonnen Mais und 170.000 Tonnen Weizen. Über eine halbe Millionen Menschen in den ländlichen Gebieten des Landes brauchen dringend Grundnahrungsmittel, hat das UN-Welternährungsprogramm WFP ausgerechnet. In dem Dorf, zu dem die Tshayamathole-Grundschule gehört, harren 46 Mütter und Kleinkinder nun schon eine Woche ohne feste Nahrung aus.

Weit weg, in Simbabwes Hauptstadt Harare, kräuselt der UN-Repräsentant Victor Angelo in seinem Hochhausbüro die Stirn. „Eine Woche schon ohne Nahrung?“, fragt er. Der Diplomat mit dem tadellos sitzenden Anzug kommt gerade aus einem der zahlreichen Verhandlungsrunden mit dem Präsidenten über die Verteilung der dringend benötigten Hilfe. Eigentlich könnte die sofort anlaufen. „Unser Angebot steht“, sagt Angelo. „Wir können sofort 45.000 Tonnen liefern.“ Aber Mugabe möchte, dass nicht die unabhängigen Organisationen das Essen an die Menschen verteilen, sondern seine eigenen Leute. Sein Plan ist, dass er sich mit der Nahrung Stimmen für die Wahl im kommenden Frühjahr kaufen kann. Deshalb ist seine Position: Entweder die Regierung verteilt das Essen oder niemand. Äußerst schwierig seien die Verhandlungen, erklärt Victor Angelo diplomatisch.

Zurück im Dorf. Die Menschen üben das Warten. Mlalazi Polycarpa ist 65 Jahre alt und wie sie sind auch ihre fünf Kinder und die Bewohner der umliegenden Hütten von Hilfe abhängig. Sie wissen, dass es einen Zusammenhang mit der Politik gibt. „Wir werden gezwungen,“ sagt Mlalazi Polycarpa zur Frage, ob sie zur Wahl gehen wird. Mugabe schickt seine Anhänger über die Dörfer, um notfalls mit Gewalt Stimmen zu sammelt. Sie verbreiten auch noch, das knappe Essen käme nicht von der Kirche, gehöre zu einer Kampagne für die Opposition.

Mahewu schmeckt gut

Die Frauen mögen diese Reden nicht, aber sie haben Angst. Mafu, der Bauingenieur schimpft: „Mugabe schreckt vor nichts zurück.“

Hinter den beengten Klassenräumen plätschert bräunliche Masse langsam durch einen Trichter in die Plastikkanne: Ein Nährstoffgetränk, das die Schulkinder bei Kräften halten soll. Die kleine Precious mit dem bunten Michael-Jackson-T-Shirt hält ihre Kanne kräftig fest, schließlich ist dieser mittägliche Trunk das Lebenselixier: „Mahewu schmeckt gut“, sagt sie und ihre großen dunklen Augen leuchten.

Seit Precious Mahewu trinkt, kommt sie regelmäßiger zur Schule. Die zwölf Kilometer Fußweg schafft sie jetzt besser, seit die katholische Kirche mit Geld aus Deutschland und Großbritannien im August ihre Versorgungsaktion gestartet hat. Die neun- bis elfjährigen Kinder stehen jeden Mittag für Mahewu an.

Nach ihrer Mahlzeit tollen die Jungen noch ein wenig mit einem abgefetzten Fußball herum. Lehrer Mbongani Sibanda läuft voran, sein Schlips weht im Buschwind. Der 20jährige liebt sein Team: „Wir könnten noch einen Ball fürs Training gebrauchen, dann schlagen wir sicher bald die Nachbarschule.“ Ein paar Mädchen hocken im Klassenraum zusammen und machen Musik. Ein Stock in einer mit Steinchen gefüllten Blechbüchse dient als Instrument.

Tshayamathole liegt drei Stunden entfernt von der Teerstraße, die aus Bulawayo in den Busch führt. Hin und wieder tauchen strohgedeckte Hütten im dichten Gestrüpp auf, ein Eselskarren zieht vorbei. Das Leben ist hart hier. Normalerweise bringt den Leuten die Viehwirtschaft einen kargen Unterhalt. Das wenige Saatgut, das sie im letzten Jahr gepflanzt hatten, ist eingegangen: Der Regen kam dieses Jahr erst im Februar. Einige warten nun auf nächsten März und eine neue Ernte, doch viele konnten sich kein neues Saatgut leisten. So haben sie nichts mehr, und sie können sich auch nichts leisten. Zugleich sind die Preise gestiegen. Der Lebensmittelnachschub aus dem Rest des Landes ist zu knapp und zu teuer. Simbabwes Farmen liegen wegen gewaltsamer Überfälle brach, die Getreidesilos leeren sich allmählich. „Ein Laib Brot kostet schon 50 Dollar“, sagt Mafu – das sind nach dem offiziellen Wechselkurs fast zwei Mark. „Viele Familien können das nicht bezahlen.“

Mafu ist verärgert über die Situation im Lande. Die Wirtschaft ist bankrott, Präsident Mugabe bräuchte dringend Devisen für Importe, aber stattdessen beschimpft er die Weißen als Imperialisten. „Er soll einfach gehen“, sagt Ingenieur Mafu. „Sie hassen ihn besonders hier in Matabeleland wegen seiner Überfälle gegen das Ndebele-Volk in den 80er- Jahren.“

Sie hassen ihn

Damals, kurz nach der Unabhängigkeit, unternahm die Fünfte Brigade der neuen simbabwischen Armee einen blutigen Feldzug gegen das südsimbabwische Ndebele-Volk, das während des Befreiungskrieges eine andere Befreiungsbewegung unterstützt hatte. Das Matabeleland wurde ausgehungert, bis zu 20.000 Menschen starben in Massakern. Heute geht die Angst vor einer Wiederholung dieses Krieges um. Mafu denkt, Mugabe hänge so sehr an der Macht, weil er sich vor Rache fürchtet: „Manchmal, in seinen komischen Reden, beginnt er zu stocken. Dann kommen die Geister der Toten, die er auf dem Gewissen hat, zu ihm zurück.“

In der Mission Regina Mundi schallen helle Kinderstimmen aus dem runden Kirchengebäude. Mitten im Buschland verborgen, startet hier eine Chorprobe für den morgigen Gottesdienst. Father Marko Mkandla ist stolz auf seine Mission. 120 Kinder gehen in die Grundschule. Die Älteren, etwa 200, leben in Unterkünften auf Kirchengrund. Doch auch Father Marko sind die Vorräte ausgegangen. „Die Menschen leiden“, sagt der Priester. Hilfe gibt es zunächst für die Alten, die auf Maismehl warten. Und die Jungen, die ihren Nährstoffdrink brauchen.

„Können wir noch mehr Mahewu haben?“, ruft ein kleiner Junge mit lustigen Rastalöckchen von seiner Spielgruppe herüber. Father Marko grinst, obwohl die Situation nicht danach ist. „Die zehn Kilo Maismehl und zwei Kilo gemahlene Nüsse pro Familie reichen nicht aus,“ erklärt er und auch er har die Befürchtung, dass die Krise gerade erst begonnen habe.

„Wir sind in Matabeleland sowieso schon isoliert“, meint der Priester. „Wir sind seit jeher eine vernachlässigte Region. Was ist, wenn die internationale Gemeinschaft das Wahlergebnis unter den gewaltsamen Umständen nicht anerkennt?“ Manchmal predigt Father Marko auch andeutungsweise über Politik, informiert die Menschen, die kein Radio haben. Prompt bedrohte ihn der Distriktgouverneur. Gleichwohl sagt der Priester seine Meinung: „Gerechtigkeit muss geschehen“, findet er. Aber das Land stecke in einem Dilemma. „Gewinnt Mugabe, ist es schlecht. Verliert er, ist es auch schlecht.“ Denn dann breche Chaos aus.

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