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Harmonie im Roten Rathaus

Sie rechnen gemeinsam, und sie mauern gemeinsam. Am ersten Tag der rot-roten Koalitionsgespräche wurden die Finanzen verhandelt. Gespart wird. Wie viel, wird nicht verraten

von RICHARD ROTHER und PLUTONIA PLARRE

Ungewohntes Bild vor dem Roten Rathaus: Der Protestpartei schlägt Protest entgegen. Rund 1.000 Erzieher, Eltern und Kinder wenden sich gegen Einsparungen bei den Kitas, während hinter den roten Backsteinmauern die PDS erste Koalitionsgespräche mit der SPD führt.

Dabei muss es recht harmonisch zugegangen sein. Die künftigen Koalitionäre packten das wichtigste Thema, die Finanzen, als erstes an. Immerhin fehlen im nächsten Jahr rund 5,2 Milliarden Euro (10,2 Milliarden Mark) in den Kassen der überschuldeten Stadt, ein Viertel des Gesamthaushaltes. Mag der Teufel im Detail stecken, die Philosophie der führenden Sanierer und Zahlenprofis Klaus Wowereit (SPD) und Harald Wolf (PDS) unterscheidet sich wenig: Ausgaben senken, Einnahmen steigern – und alles als irgendwie sozial gerecht verkaufen.

Nach dem Abschluss der ersten Verhandlungsrunde war es an den beiden Landesparteischefs Peter Strieder (SPD) und Stefan Liebich (PDS), sichtlich gelassen und gut gelaunt erste Ergebnisse zu verkünden – oder das, was sie davon halten. „Wir verraten keine Details“, hieß es unisono. Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen soll en bloc der Öffentlichkeit präsentiert werden, wenn beide Partner es für richtig halten – beim Mauern waren sich Strieder und Liebich einig, als seien sie Parteigenossen.

Nur so viel ließen sie durchblicken: Die Neuverschuldung werde aufgrund der dramatischen Lage wohl höher als geplant, und es müsse Einsparungen im öffentlichen Dienst geben – durch Stellenabbau und der Auslagerung von staatlichen Aufgaben. Ob dabei rund eine Milliarde Mark gespart wird, wie es die PDS mitzutragen bereit ist, oder zwei Milliarden, wie es die Ampelparteien bereits vereinbart hatten, blieb unklar. Liebich: „Ich bin optimistisch, dass wir ein Ergebnis erzielen, das beide Parteien das Gesicht wahren lässt.“

Immerhin wurde der Fahrplan der künftigen Verhandlungen etwas klarer. Heute treffen sich die acht Fachgruppen, morgen tagt die große Koalitonsrunde, am Sonntag geht es wieder in den kleine Kreis.

Bei aller zur Schau gestellten Harmonie – in den Fachgruppen werden sich die Experten noch genügend beharken. Zum Beispiel beim sensiblen Thema „Innere Sicherheit“. „Grüne und PDS stehen sich in innenpolitischen Fragen ziemlich nahe“, heißt es in der PDS. Sie will nicht hinter das zurückfallen, was die Grünen den Sozialdemokraten bereits abgetrotzt hatten.

Dazu gehört insbesondere die Kennzeichnungspflicht für die Polizeibeamten der geschlossenen Einheiten. Darüber hinaus besteht die PDS auf der Auflösung des Polizeiverwaltungsamtes und die Ernennung eines so genannten Polizeibeauftragten.

Streit ist da vorprogrammiert. In der SPD regt sich vor allem Widerstand gegen die Kennzeichnungspflicht. Einige Sozialdemokraten schlagen eine Bundesratsinitiative zur Kennzeichnungspflicht in allen Bundesländern vor. Das Vorhaben wäre damit nicht nur auf die lange Bank geschoben, sondern zum Scheitern verurteilt.

In der Drogenpolitik deuten sich weitere Konflikte an: So genannte Druckräume für Junkies sind für die PDS unverzichtbar. Wegen ein paar Nadelpiekserndürften die Koalitionsverhandlungen aber wohl kaum platzen. Wowereit: „Ich glaube, dass ich meinen Weihnachtsurlaub buchen kann.“

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